Adieu, Politik! Roland Koch verlässt die Bühne

Berlin (RPO). Bis zuletzt sind immer wieder aus der Union Rufe ertönt, Roland Koch nicht ziehen zu lassen. Doch der hessische Ministerpräsident winkt fröhlich ab, sein Abschied aus der Politik ist beschlossene Sache. Eine Rückkehr in die Politik schließt er aus.

Das erklärt Roland Koch zum Rücktritt
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Foto: APN

"Ich bin rundum zufrieden", sagt der 52-Jährige. Für ihn sei es ein Abschied ohne Bitterkeit. Er wisse, dass es eines nicht gebe: ein dauerhaftes Amt. Jetzt sei er in der privilegierten Situation, den Zeitpunkt selbst zu bestimmen. Am Montag wird Koch in einer feierlichen Zeremonie als Ministerpräsident verabschiedet, erwartet werden rund 500 Gäste, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und Altkanzler Helmut Kohl (beide CDU). Seine berufliche Zukunft lässt er weiter offen.

Koch hatte Ende Mai überraschend seinen Rückzug von allen politischen Ämtern angekündigt. Dabei war der streitbare Hesse, der die klare Sprache liebt und sich selbst einmal als "Raubauz" bezeichnete, zuletzt für höhere Ämter im Gespräch.

Rückzug nach elf Jahren

Über den Wechsel ins Kabinett Merkel war spekuliert worden, als Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) seine Amtsgeschäfte zeitweilig vom Krankenbett aus wahrnehmen und sich international bei wichtigen Konferenzen vertreten lassen musste. Er sei Ministerpräsident von Hessen und bleibe es, wurde der CDU-Politiker nicht müde zu betonen. Nun zieht sich Koch zurück. Elf Jahre lang hat er Hessen regiert.

Schon nach der Bundestagswahl 2009 war über seinen Wechsel an die Spitze des Finanzressorts spekuliert worden. In finanzpolitischen Fragen gilt der gebürtige Eschborner als Fachmann. Schon 2003 erarbeitete er mit dem damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück (SPD) ein Papier zum Subventionsabbau. In die Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene war Koch stets mit eingebunden.

Ein politischer Stratege geht

Mit Koch wird Merkel zwar einen unbequemen Politiker los, zugleich aber kommt ihr in der Partei ein gewiefter Polit-Stratege mit hohem analytischem Verstand abhanden. Koch war einer der wenigen CDU-Spitzenleute, die Merkel in der Vergangenheit auch öffentlich widersprachen. Zuletzt holte sich Koch mit Sparvorschlägen in den Bereichen Bildung und Familie bei Merkel eine Abfuhr.

Das Verhältnis von Koch zu Merkel war immer zwiespältig. Lange Zeit galt er als Rivale Merkels, ab 2004 versuchte er, diesen Ruf abzustreifen. Als einer der ersten rief er 2005 bei der Neuwahlankündigung Merkel als "unsere Kandidatin" aus. An dem für die CDU trotz des Wahlsiegs enttäuschenden Wahlabend 2005 stellte er sich als erster hinter sie. Im Sommer 2006 ließ Koch wieder die Muskeln spielen und verhinderte mit weiteren Unions-Ministerpräsidenten Steuererhöhungen zur Finanzierung der Gesundheitsreform. Kochs Stimme in der Union hatte Gewicht, Merkel machte ihn schließlich Ende 2006 zum stellvertretenden Parteivorsitzenden.

Im Gegensatz zu Merkel

Koch und Merkel stehen für zwei gegensätzliche Biografien in der CDU. Hier der konservative Katholik und Familienvater mit typischer Parteikarriere von der Jungen Union zum Ministerpräsidenten. Dort die politische Quereinsteigerin und Protestantin aus dem Osten, die es an allen Männern vorbei in der CDU zur ersten Kanzlerin Deutschlands brachte.

Kochs eigene Karrierekurve wies lange Zeit steil nach oben. Mit 30 Jahren saß der Rechtsanwalt im Landtag, mit 32 war er Fraktionschef. Im Alter von 41 Jahren wurde Koch 1999 Ministerpräsident, nicht zuletzt dank einer höchst umstrittenen Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft.

Tiefpunkte in Kochs Karriere

Es gab aber auch Tiefpunkte. In der CDU-Schwarzgeldaffäre im Jahr 2000 präsentierte er sich zunächst als "brutalstmöglicher Aufklärer". Wochen später musste Koch einräumen, von den als "jüdischen Vermächtnissen" getarnten illegalen Geldflüssen gewusst zu haben. Dank der Treue des Koalitionspartners FDP und eigener Hartnäckigkeit überlebte Koch politisch. Im Landtagswahlkampf 2008 zog Koch das Thema Jugendkriminalität nach oben, was ihm bundesweit Empörung eintrug und ganz nebenbei eigene Bemühungen zur Imagekorrektur kaputtmachte.

Wenn Koch sich äußerte, hörten Journalisten und Politiker genauer hin, so auch unmittelbar nach der Wahlschlappe für die CDU in Nordrhein-Westfalen. Mit seiner Forderung, beim Ausbau der Kleinkindbetreuung und Bildung zu sparen, provozierte Koch auch in der Union heftigen Widerspruch. Seine Parteikollegin aus Hessen, Familienministerin Kristina Schröder, fand den Vorstoß "absurd".

Koch ficht solche Kritik nicht an. "Ich habe in der Politik eine Unabhängigkeit erlangt, die mir die Möglichkeit gibt, meine Meinung zu sagen. Auch wenn sie nicht jedem auf den ersten Blick gefällt", sagte der Hesse kürzlich. Den Vorwurf, er wolle die Öffnung der CDU zurückdrehen, wies er als "Phantomdebatte" zurück. Er kenne "diese rückwärtsgewandten Kreise" nicht, von denen da die Rede sei.

Koch will nun die politische Szenerie von der "Seitenlinie" aus verfolgen. Er bleibe ein "politisches Wesen", betonte der Hesse. Allerdings stehe er dann nicht mehr im Verdacht, mit jeder Äußerung ein politisches Amt anzustreben.

(DDP/bs)
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