Euro-Rebellen Rösler: FDP-Mitgliederentscheid gescheitert

Berlin · Eigentlich können FDP-Mitglieder noch bis Dienstag über den ständigen Euro-Rettungsschirm ESM abstimmen. Parteichef Philipp Rösler hält die Sache bereits jetzt schon für entschieden. Seiner Ansicht nach ist Initiator Frank Schäffler gescheitert. Der aber ruft zur Schlussoffensive.

 Frank Schäffler wirft der Parteiführung schwere organisatrorische Mängel bei der Durchführung des Mitgliederentscheids vor.

Frank Schäffler wirft der Parteiführung schwere organisatrorische Mängel bei der Durchführung des Mitgliederentscheids vor.

Foto: AFP

Er gehe davon aus, dass das Quorum von 21.500 gültigen Stimmen nicht erreicht werde, sagte Rösler der "Bild am Sonntag". Nach seinen Angaben stimmten bislang nur etwa 16.000 Mitglieder über zwei konkurrierende Anträge zur Europapolitik ab.

Rösler erklärte gegenüber der "Bild am Sonntag" den Vorstoß des Initiators des Mitgliederentscheids, Frank Schäffler, für gescheitert. Eine Gruppe um den Abgeordneten hatte die Abstimmung durchgesetzt, um die Partei auf ein Nein zum ESM festzulegen. Die Parteispitze setzte dem Vorstoß einen eigenen Antrag entgegen, in dem sie sich zu den Euro-Rettungsmaßnahmen bekennt, wenn auch unter Auflagen für Schuldnerstaaten.

Bis Dienstag

Die FDP-Mitglieder können noch bis kommenden Dienstag ihr Votum abgeben, das Ergebnis soll Ende der Woche bekanntgegeben werden. Rösler sagte der "Bild am Sonntag", derzeit gingen pro Tag nur einige hundert Stimmzettel ein. Er sehe nicht, wie der nötige Anteil von einem Drittel der Parteimitglieder noch erreicht werden solle.

"Also bleibt es bei der bisherigen Linie der Partei, die wir mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit auf dem Parteitag beschlossen haben. " Die Liberalen hatten sich im Mai in Rostock zur europäischen Integration bekannt, forderten aber mit Blick auf die hohe Verschuldung einiger Mitgliedstaaten eine "neue Stabilitätskultur".

Rösler unterstellte den Unterstützern des europakritischen Antrags weitergehende Motive als das Stoppen des ESM. Es sei auch versucht worden, "die Grundachse der FDP zu verschieben: raus aus der politischen Mitte". Das sei mit ihm als Parteivorsitzendem "nicht zu machen".

Die Grundlagen haben sich bereits verändert

Nach den Beschlüssen des Brüsseler EU-Gipfels hält Rösler den Mitgliederentscheid zudem inhaltlich für überholt: "Der ESM, über den wir jetzt abstimmen, hat sich mittlerweile so verändert, dass er auch Skeptiker überzeugt." Auch das sei ein Grund, warum offenbar nur wenige Parteimitglieder überhaupt noch abstimmen wollten.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte den "Kieler Nachrichten", viele FDP-Mitglieder sähen "offenbar gar keinen Veränderungsbedarf an unserem europapolitischen Kurs".

Nach einem Bericht des Magazins "Focus" sorgte der Umgang mit dem Mitgliederentscheid in Vorstandskreisen der Liberalen für Kritik an Lindners Führungsarbeit. Dieser habe auf nur sechs Veranstaltungen für den pro-europäischen Antrag des Bundesvorstandes geworben, hieß es dem Bericht zufolge in den Kreisen.

Ärger um Lindner

Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms hingegen habe sich auf zwölf Mitgliederabenden einem Gegner gestellt und der junge Bundesvorständler Johannes Vogel auf neun. "Die Abteilung Attacke" sei in der Parteizentrale fast völlig ausgefallen. Die Partei hatte bundesweit mehr als 160 Diskussionsveranstaltungen zu dem Mitgliederentscheid organisiert.

Schäffler kritisierte indes "schwere organisatorische Mängel" bei der Befragung. "Wenn das Quorum nicht erreicht wird, muss man prüfen, woran es lag", sagte der Abgeordnete der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er kündigte an, in den verbleibenden Tagen alle Kräfte zu mobilisieren, um das Quorum doch noch zu erreichen.

Der FDP-Finanzexperte und Euro-Rebell Frank Schäffler will beim Mitgliederentscheid erreichen, dass die Liberalen den geplanten dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM wegen unabsehbarer Folgen nicht mittragen. Der Bundesvorstand ruft in einem Alternativantrag die rund 64.000 FDP-Mitglieder auf, sich zu einer Stabilitätsunion und auch zu einem dauerhaften Euro-Krisenmechanismus ESM zu bekennen, der ursprünglich ab 2013 den vorläufigen Rettungsschirm EFSF ablösen sollte. Jetzt soll der ESM auf 2012 vorgezogen werden.

Schäffler: B-Antrag schon "Makulatur"

Schäffler rief die Anhänger der Euro-Rebellen dazu auf, am Wochenende eine "Telefonlawine" zu starten und fünf Parteimitglieder anzurufen. "Das Quorum für den Mitgliederentscheid wackelt gefährlich", betonte er. Bei einer verfehlten Mindestzahl von Teilnehmern würde der Entscheid nur als eine für den Parteivorstand unverbindliche Befragung gewertet.

Trotz der bislang noch geringen Resonanz zeigte sich Schäffler zuversichtlich, dass der Antrag der Euro-Rebellen durchkommen kann.
Der Gegenantrag des Bundesvorstands sei nach dem Ergebnis des EU-Gipfels "bereits Makulatur" geworden, sagte er.

Der permanente Rettungsfonds ESM soll nach dem Willen der 27 EU-Staats- und Regierungschefs ein Jahr früher als geplant die Nachfolge des europäischen Rettungsschirms EFSF antreten - nämlich sobald Mitgliedsländer, die 90 Prozent des Kapitals repräsentieren, den Vertrag ratifiziert haben. Angepeilt ist Juli 2012.

Datum Poststempel zählt

Der Mitgliederentscheid wurde Anfang November gestartet.
Aufgerufen sind alle mehr als 64.000 FDP-Mitglieder. Die Frist zur Stimmabgabe läuft am kommenden Dienstag (13.12.) ab. Ab 15. Dezember soll ausgezählt werden. Das Ergebnis soll nach bisherigen Planungen am 16. Dezember nachmittags bekannt gegeben werden.

(AFP/dapd)
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