FDP-Sonderparteitag eröffnet Rösler attackiert Grüne, Rote und den EU-Präsidenten

Nürnberg · Mit einer kämpferischen Rede hat FDP-Chef Philipp Rösler zum Auftakt des Bundesparteitages den Wahlkampf in Deutschland für eröffnet erklärt. Dabei attackierte er Grüne, SPD und Grüne besonders heftig, kritisierte die Union und griff auch EU-Kommissionspräsident Barroso an.

Es kommt nicht häufig vor, dass ein Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland den Chef der EU-Kommission als "verantwortungslos" bezeichnet. FDP-Chef Philipp Rösler tut es am Samstag zum Auftakt des FDP-Wahlprogrammparteitag. José Manuel Barroso fängt sich diese Attacke ein, weil er den Konsolidierungskurs der EU-Länder in Frage gestellt hat. Und das passt in die Warnungen des FDP-Chefs vor den Erwartungen vieler Sozialdemokraten in Europa: Diese setzten auf den Wahlsieg von Rot-Grün am 22. September, damit in Deutschland die Steuern erhöht würden, um in Europa die Schulden zu bezahlen.

"Das werden wir nicht zulassen", ruft Rösler — und erntet damit donnernden Applaus.Obwohl er nur 41 Minuten spricht und auf viele Details seines Manuskriptes verzichtet, gelingt dem Parteichef das, was viele bei diversen Parteitagen vermissten: eine mitreißende Ansprache. Eine Schlüsselszene: An der Stirnseite der Halle erscheint groß das Bild vom SPD-Parteitag, als sich Grünen-Chefin Claudia Roth und SPD-Chef Sigmar Gabriel Hand in Hand unter das Motto "Das Wir entscheidet" stellen. "Schließen Sie die Augen", fordert Rösler die FDP-Delegierten auf. "Stellen Sie es sich vor — für eine Schrecksekunde". Das "Wir" stehe nicht für die Menschen im Lande, sondern "Wir" seien am Ende Sigmar Gabriel, Claudia Roth, Jürgen Trittin, Andrea Nahles und Gregor Gysi. Und nun gehe es darum, dafür zu kämpfen, dass diese eben nicht für Deutschland entscheiden dürften.

"Stärkster Kontrast zu Rot-Grün"

Blau-Gelb, die Farben der Liberalen, seien der "schönste und stärkste Kontrast" zu Rot-Grün. Rösler ruft die Bundestagswahl als "Richtungsentscheidung" aus. Die Grünen markiert er als "parteigewordenen Tugendwahn". Sie seien gegen alles, was das Leben der Menschen schön mache. "Das ist der grüne Dreiklang: Dagegen. Dagegen. Dagegen", lautet Röslers Rhetorik über die Grünen und ihre "neue Spießbürgerlichkeit". Die Koalitionsfrage sei für die Liberalen entschieden. Mit diesen Grünen und mit dieser SPD sei ein Bündnis mit der FDP "überhaupt nicht denkbar". Auf der anderen Seite bezeichnet er die Beteuerung der SPD, nicht mit den Linken zusammen arbeiten zu wollen, als "Lüge", die sich jetzt schon durch die Zusammenarbeit im Bundesrat entlarve.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sei es inzwischen unangenehm, für welche Ziele er einzutreten habe, glaubt Rösler erkannt zu haben, und greift die Behauptung Steinbrücks auf, die angeblichen SPD-Steuererhöhungen seien "wie das Monster von Loch Ness". Aus dem SPD-Wahlprogramm liest der FDP-Chef hingegen Steuererhöhungen von jährlich 40 Milliarden Euro heraus und verkündet zum Vergnügen des Parteitages: "Das Monster von Loch Ness lebt, es ist kein Mädchen, sondern ein Junge, und er ist 66 Jahre alt und heißt Peer Steinbrück".

Gegen flächendeckenden Mindestlohn, aber...

Ohne sie beim Namen zu nennen, schenkt Rösler auch der euro-kritische Alternative für Deutschland (AfD) kräftig ein. Den Euro in Frage zu stellen, liefe auf den "Ruin für Deutschland" hinaus: "Das ist keine Alternative für Deutschland", donnert Rösler. Damit nähert er sich der Debatte um die Frauenquote. Auch dieses Wort erwähnt er nicht. Er spricht lieber von Chancengerechtigkeit und warnt nachhaltig und unter großem Beifall davor, nur Symbolpolitik für 200 Aufsichtsratsmandate zu machen. Es gehe vielmehr um 18 Millionen berufstätige Frauen in Deutschland, die auch durch bessere Rahmenbedingungen "echte Chancengleichheit" benötigten. Philosophie der FDP sei es, dass "jeder den Aufstieg schaffen kann". Dabei greift Rösler allerdings in eine Metaphernkiste mit leicht angestaubten Begriffen: "Vom Lehrling zum Weltmarktführer, vom Einwanderer zum Schuldirektor, vom Gameboyspieler zum Start-up-Profi."

Es ist die Überleitung zum Hauptstreitpunkt des Parteitages, der bis zum Abend über den Mindestlohn im FDP-Wahlprogramm entscheiden will und sich auf eine harte Auseinandersetzung einstellt. Rösler macht klar, dass die FDP "für alle Zeiten" gegen jeden flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn kämpfen werde. Aber in Regionen, in denen es keine starken Tarifpartner mehr gebe, helfe es den Menschen nicht, auf die Tarifautonomie zu setzen. Und dann spricht der Bundeswirtschaftsminister Rösler: "Ich will nicht, dass man ein Geschäftsmodell dauerhaft darauf aufbauen kann, den Menschen nur drei Euro die Stunde zu zahlen. Das ist nicht die Soziale Marktwirtschaft, die Freiheit und Verwantwortung die ich meine." Der Beifall gibt eine Vorstellung davon, dass dies am Ende des Tages die Mehrheitsmeinung der Liberalen sein kann.

Attacke auf Kramp-Karrenbauer

Wahlziel der Liberalen ist nach Rösler nicht nur der Wiedereinzug in den Bundestag, sondern auch die Fortsetzung der Koalition mit der Union. Nicht aus Liebe zur CDU "und erst Recht nicht zur CSU", meint der FDP-Chef, sondern um "vier weitere gute Jahre für Deutschland" sicherzustellen. Rösler verweist auf die saarländische CDU-Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer "und andere aus der zweiten und dritten Reihe der Union", die einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent wollten. Wer sich allein auf die CDU verlasse, sei verlassen. Weil die Grenze der Belastbarkeit erreicht sei, brauche es die FDP in der Regierung.

Die Attacke auf Kramp-Karrenbauer kommt nicht von ungefähr. Die Saarländerin hat ihm mit der Aufkündigung der Jamaika-Koalition ausgerechnet während der Rede Röslers beim Dreikönigstreffen des Vorjahres die Schau gestohlen. Damals schien Rösler vor dem nahen Aus zu stehen. Dieses Mal sind die Karten neu gemischt. Rainer Brüderle ist das Gesicht der FDP geworden. Und Rösler tritt spürbar befreiter auf. Er spricht vom "Kämpfen" — und dabei ballt er die Fäuste. Er spricht von "Leidenschaft" — und dabei liegt tatsächlich große Leidenschaft in seiner Stimme. Zum Auftakt des Bundesparteitages erlebt die FDP einen neuen Rösler.

(hip/pst)
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