Glos' Rücktrittswunsch Revanchefoul eines Frustrierten

München (RPO). Michael Glos hat mit seinem Rücktrittsangebot seine CSU ebenso kalt erwischt wie die Kanzlerin. Nicht einmal enge Vertraute sollen von seinen Plänen gewusst haben. Der Imageschaden für Parteichef Horst Seehofer ist erheblich und auch Angela Merkel sieht alt aus. Sie stehen unter Druck, die Hängepartie rasch zu beenden, wollen sie eine Blamage verhindern.

Amtsmüder Minister Glos geht feiern
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Eben sonnte sich Horst Seehofer noch im Glanz der Weltpolitik - da kam plötzlich die kalte Dusche. Kaum waren die Eilmeldungen vom Rücktrittsgesuch von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos über die Ticker gegangen, stürmte der CSU-Chef wortlos aus der Münchner Sicherheitskonferenz. Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg eilte mit ernster Miene hinterdrein. Fragen heraneilender Journalisten wehrten beide brüsk ab. Dem gepiesackten Glos war es gelungen, seinen Parteichef völlig zu überrumpeln.

Nach der Begegnung mit US-Vizepräsident Joe Biden, dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Sicherheitskonferenz wollte Seehofer am Samstag die drei Stunden bis zum Empfang des bayerischen Ministerpräsidenten für die hohen Gäste eigentlich für ein Gespräch mit Generälen nutzen. Stattdessen musste er mit Guttenberg und Staatskanzleichef Siegfried Schneider in der Staatskanzlei einen Ausweg suchen und mit Merkel telefonieren.

Glos hatte sein Rücktrittsangebot an "Bild am Sonntag" und an Seehofers Privatadresse geschickt. Gegen 16 Uhr hatte die Zeitung die Nachricht an die Agenturen weiter gegeben - und Minuten später verließ der sichtlich konsternierte Seehofer die Konferenz. Während er vor dem Tagungshotel auf seinen Wagen wartete, sprach er mit gesenktem Kopf mit Guttenberg.

Glos tanzte am Abend auf dem Wiesbadener "Ball des Sports" und wollte sich nicht äußern. Aber dass sein Coup die Quittung für erlittene Demütigungen war, dem wird in der CSU nicht widersprochen.

Immer wieder hatte Seehofer den Wirtschaftsminister wissen lassen, dass er seine Arbeit und seinen öffentlichen Auftritt für verbesserungsfähig hält. Dass Glos bei der Debatte über die Steuersenkung andere Zahlen nannte als der Parteichef oder ihn mit der Forderung nach Beitragssenkungen überraschte, löste in München wenig Freude aus. Und die Kanzlerin überging den CSU-Minister bei wichtigen Krisenrunden und demonstrierte statt dessen den Schulterschluss mit SPD-Finanzminister Peer Steinbrück.

Vertrauensbekundungen und Rufe nach rascher Lösung

Jetzt kam die Retourkutsche. Nachdem auch noch Seehofers Heimatzeitung "Donaukurier" den CSU-Schatzmeister Thomas Bauer als Glos' möglichen Nachfolger präsentiert hatte, zog Glos die Konsequenzen und warf hin.

Um so überraschender Seehofers Reaktion. Keine drei Stunden nach der Rücktrittsbitte erklärte der Parteichef, er lehne sie ab. Vor der Staatskanzlei trat ein bleicher Horst Seehofer am Abend vor die Kameras. "Die in dem Brief dargestellten Beweggründe werde ich in einem persönlichen Gespräch mit ihm erörtern", erklärte er, und dann fiel ihm noch etwas ein: "Michel Glos hat mein Vertrauen." Danach zog er sich sofort durch die Tür zurück. Von Nachfragen bitten wir abzusehen, hatte die Pressestelle gemahnt.

Statt Glos war jetzt plötzlich Seehofer das Ziel von Hohn und Spott. Soll mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise ein angeschlagener, amtsmüder Wirtschaftsminister zum Weitermachen gezwungen werden? Von einem Parteichef und einer Kanzlerin, mit denen er offensichtlich über Kreuz liegt? Oder will Seehofer nur Zeit gewinnen für die Suche nach einem Nachfolger?

Volles Vertrauen der Landesgruppe

Glos habe das volle Vertrauen der CSU-Landesgruppe und der Partei, versicherte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer der Würzburger "Main-Post". Er war am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz, aber bei der Krisenrunde in der Staatskanzlei nicht am Tisch. Ramsauer gilt selbst als möglicher Nachfolger.

Andere CSU-Politiker forderten ein rasches Ende der Hängepartie. Seehofer und Merkel sollten Glos' Entlassung annehmen und einen Nachfolger aus der Landesgruppe berufen, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Jungen Union in Bayern, Stefan Müller. Auch der CSU-Spitzenkandidat für die Europawahl, Markus Ferber, drang im "Handelsblatt" auf schnelle Klarheit, "um Schaden für das Land und die Partei zu verhindern".

Für den politischen Gegener ist der Querschlag von Glos ein gefundenes Fressen. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nutzte am Sonntag die Steilvorlage und tat das, was sonst immer die Union mit der SPD macht: Er mahnte den Koalitionspartner zur Ordnung. Es sei "Sache der Union und vielleicht innerhalb der Union Sache der CSU, das zu klären. Da muss wieder Ordnung geschaffen werden", sagte Steinmeier am Sonntag in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".

Steinmeier sagte, es sei in der derzeitigen wirtschaftlichen Krise "mehr als unglücklich, dass wir um die Zukunft des Wirtschaftsministers diskutieren". Zugleich sagte Steinmeier, die andere Seite habe nun ihre Probleme "und das richtet jetzt das Interesse der Öffentlichkeit ein wenig auf die Lage der Union und das ist gut so".

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