Gesetzliche Rente für Abgeordnete Wie Sahra Wagenknecht Vorurteile schürt
Meinung · Die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) will Minister und Abgeordnete in die Rentenversicherung zwingen. Warum dies populistisch und sachlich falsch ist.
Eines muss man Sahra Wagenknecht lassen. Die Vorsitzende des neuen gleichnamigen Bündnisses hat ein Gespür für populäre Themen. Ihr Vorschlag, dass Abgeordnete und Minister in die Rentenversicherung einzahlen sollten und nicht schon nach kurzer Zeit Versorgungsansprüche aufbauen können, dürfte wohl von vielen geteilt werden. Doch wie so häufig bei populistischen Vorschlägen zerbricht der schöne Schein, wenn man genauer hinsieht.
Denn Minister und Abgeordnete üben keinen Beruf im klassischen Sinne aus. Sie sind vom Volk gewählte Vertreter, die ein Amt bekleiden. Weil sie unabhängig sein sollen, darf nicht der Verdienst und die Absicherung wie bei vielen anderen Berufstätigen einen zentralen Stellenwert in ihrer Karriere einnehmen. Gerade die Rechenschaftspflicht und die Gefahr der Abwahl ist eines der wirksamsten demokratischen Prinzipien. Wenn Politiker das mit aller Macht verhindern wollen, weil sie um ihre Altersversorgung fürchten, würde das die eigene Meinungsfindung und die Unabhängigkeit erheblich beeinflussen. Abgeordnete wären fast vollständig ihren Parteiführungen unterworfen. Kann das der Wähler wirklich wünschen?
Mit ihrem Vorschlag zielt Wagenknecht auch auf die Beamten ab. Sie genießen das „Privileg“, im Alter vom Staat versorgt zu werden. Dafür müssen sie bestimmte Dienstzeiten nachweisen. Und wenn sie früher in Pension wollen, müssen sie einen Versorgungsabschlag hinnehmen. Vom Prinzip her stehen Beamte in einem besonderen Treueverhältnis zum Staat, der als Gegenleistung für die Dienste den Lebensunterhalt großzügig sicherstellt. Das gilt auch für die Versorgung im Alter und die Gesundheit. Deswegen gibt es hier ein eigenes System.
Dagegen schließt ein Beschäftigter mit seinem Arbeitgeber einen Vertrag unter Gleichen ab. Der regelt Verdienst und Aufgaben. Um die Menschen im Alter nicht allein zu lassen, erwirbt der Angestellte im Laufe seiner beruflichen Karriere Rentenansprüche, die ihm oder ihr nach einem bestimmten Alter ausgezahlt werden. Das staatliche Zwangssystem soll Menschen vor Altersarmut bewahren, weil sie aus eigenem Antrieb vielleicht zu wenig für die Altersversorgung ansparen.
In einem gut austarierten System sollte es deshalb beide Wege geben. Schließlich kann jeder und jede frei entscheiden, ob er oder sie das Geld in der freien Wirtschaft oder beim Staat verdient. Die unterschiedlichen Versorgungssysteme sind bekannt. Und niemand ist von einer Bewerbung um ein Wahlamt ausgeschlossen. Eine Gleichmacherei im Sinne von Wagenknecht macht also wenig Sinn. Ihr Vorschlag mag populär sein, er ist sachlich grundfalsch. Aber genau das kümmert Populisten nicht, obwohl es die Ökonomin und Politikerin Wagenknecht besser wissen müsste.