Rente, Hartz IV und Sozialabgaben SPD versucht mit sozialen Themen aus Umfragetief zu klettern

Berlin · Das Tal der Tränen ist für die Sozialdemokraten noch nicht durchschritten. Mit sozialen Themen versucht die SPD jetzt wieder bei den Wählern zu punkten.

SPD-Chefin Andrea Nahles.

SPD-Chefin Andrea Nahles.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Parteichefin Andrea Nahles stellte sich hinter den Vorstoß von Finanzminister Olaf Scholz, ein Rentenniveau von 48 Prozent auch in den 20er und 30er Jahren zu gewährleisten. "Wir brauchen eine Garantie des Rentenniveaus auf dem heutigen Niveau bis 2040", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" vom Mittwoch. Überhaupt versucht Nahles verstärkt mit sozialen Themen zu punkten, darunter die Forderung nach Abschaffung von Sanktionen für junge Hartz-IV-Empfänger. "Wir sind in die Regierung eingetreten, um für die Anliegen der ganz normalen Menschen zu kämpfen", beschreibt sie ihren Kurs, den Experten für die SPD durchaus für aussichtsreich halten.

"Die SPD muss sich endlich wieder ganz klar mit sozialen Themen als Schutzmacht der kleinen Leute profilieren und nicht Flüchtlinge, Europa oder sonstwas in den Vordergrund stellen", sagt der Berliner Parteienforscher Oskar Niedermayer der Nachrichtenagentur Reuters. Allerdings tue die SPD jetzt genau das, was sie wochenlang der CSU vorgeworfen habe - "nämlich Dinge zu fordern, die nicht im Koalitionsvertrag stehen".

So hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz am Wochenende ein stabiles Rentenniveau über 2025 hinaus gefordert. Nahles pflichtete ihm bei: "Viele Menschen in Deutschland machen sich zu Recht Sorgen, dass der Wert ihrer Altersrente im Vergleich zu den Löhnen sinkt. Denn das lässt die geltende Rechtslage zu." Sie verspricht nichts weniger als einen "Neustart der Rente". Zugleich versucht die Partei- und Fraktionschefin, die SPD mit weiteren Themen aus dem Sommer-Tief zu heben. So macht sie sich dafür stark, abgelehnten oder geduldeten Asylbewerbern per "Spurwechsel" einen Weg in den Arbeitsmarkt zu erschließen.

Dahinter steht der Versuch, vor den Wahlen im Oktober in Bayern und Hessen das Ruder herumzureißen. In Umfragen von Emnid und Forsa erreichen die Sozialdemokraten bundesweit lediglich 17 beziehungsweise 18 Prozent. Bei INSA kommt die Partei auf 16,5 Prozent - und liegt damit nur einen halben Punkt vor der AfD.

Allerdings hagelt es am Rentenvorschlag von Scholz breite Kritik aus der Union und von Wirtschaftsverbänden. Denn zum einen hat erst im Juni eine hochkarätig besetzte Rentenkommission ihre Arbeit begonnen, der Scholz vorgreift. Und zum anderen wäre ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2040 mit hohen Milliardenkosten verbunden. Unterstützung bekommen die Sozialdemokraten dagegen von Gewerkschaften und Sozialverbänden.

Niedermayer verweist auf die enorme Bedeutung des Rententhemas für die SPD. "Sich da zu profilieren und zu sagen, wir tun alles, damit eure Rente mittelfristig sicher bleibt, das ist schon eine richtige Strategie." Über die Landtagswahlen hinaus sei es sinnvoll, sich bis zur nächsten Bundestagswahl in diesem Bereich zu profilieren. Damit könne die SPD zugleich die Eigenständigkeit der Partei gegenüber der Regierung betonen.

Auch Forsa-Chef Manfred Güllner sieht die SPD grundsätzlich auf dem richtigen Weg. "Was sie vorschlägt klingt gut und ist sicherlich nicht falsch. Aber damit allein kann sie das verloren gegangene Vertrauen nicht zurückgewinnen", sagt. So hapere es beim Personal der SPD, die sich zudem in den vergangenen Jahren zu sehr um Randgruppen gekümmert habe. "Insofern ist das Rententhema, das sich an alle richtet, richtig", sagt Güllner.

Die SPD hätte vor dem Hintergrund gerne schon das aktuelle Rentenpaket am Mittwoch durchs Kabinett gebracht. Es garantiert ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent und einen Beitrag von maximal 20 Prozent bis zum Jahr 2025. Zudem sind darin die Ausweitung der Mütterrente, Verbesserungen für krankheitsbedingte Frührentner und eine Entlastung von Geringverdienern bei Sozialabgaben enthalten. Arbeitsminister Hubertus Heil lastet die Verzögerung dem Koalitionspartner an.

Aus der SPD verlautet, man werde auch in nächster Zeit bei sozialpolitischen Themen deutlich machen, was abseits des Koalitionsvertrags "SPD pur" bedeute. Die Rente sei für die SPD ein Kernthema, um deutlich zu machen, wofür sie stehe. Andere Bereiche seien Mieten und Wohnen, aber auch der Bereich Pflege.

(felt/Reuters)
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