Diskussion um die Rente Rente mit 72? Die Debatte ist es wert

Meinung | Berlin · Die Rente ist politisch ein heißes Eisen, das keine der Parteien gerne anpackt. Nun gibt es einen Vorschlag für ein späteres Renteneintrittsalter in einem Papier der CDU. Der Aufschrei ist groß. Dabei braucht es Diskussionen!

Grundsatzprogramme der Parteien sind vor allem eine innerparteiliche Angelegenheit. Man will sich der Basis vergewissern, Parteimitglieder zur Mitarbeit bewegen und am Ende Beschlüsse präsentieren, die das „moderne“ Gesicht und Programm aufzeigen, um möglichst für viele Wähler attraktiv zu sein.

Die CDU, derzeit in der Opposition, befindet sich gerade in einem solchen Prozess. Dabei erblicken Vorschläge das Tageslicht, die Parteistrategen die Hände vors Gesicht schlagen lassen. Denn nicht alles, was wirtschaftlich geboten wäre, kommt beim Wahlvolk auch gut an. Ehrlicherweise: Eigentlich fast gar nichts, weil es selten Verbesserungen des persönlichen Status Quo des Wählers mit sich bringt.

Im April hatte die Fachkommission Soziale Sicherung der CDU ein Papier mit Empfehlungen für ein späteres Renteneintrittsalter vorgelegt. Es sieht vor, das Renteneintrittsalter vom Jahr 2030 an an die Lebenserwartung zu koppeln - falls die Lebenserwartung bis dahin wie erwartet weiter steigt. Von 2031 an soll sich die Regelaltersgrenze um vier Monate für jedes gewonnene Lebensjahr erhöhen. Damals wurde betont, dass es sich lediglich um eine erste Idee handele. CDU-Vize Carsten Linnemann hatte sich nun aber jüngst in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ deutlich hinter den Vorschlag gestellt. Und auch ein Renteneintrittsalter von 70 oder 72 Jahren nicht ausgeschlossen.

Ein gefundenes Fressen für die SPD. Die Vorsitzende Saskia Esken griff die CDU scharf an, bezeichnete den Vorschlag als Kampfansage an die Rentner. Und betonte, die SPD lehne eine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters kategorisch ab. Das Renteneintrittsalter werde nicht angefasst.

Ein hehres Versprechen, das sich rächen könnte. Bereits jetzt macht die Rentenkasse rund ein Viertel des Bundeshaushaltes aus. Das Renteneintrittsalter, das Rentenniveau und die Beitragssätze stabil zu halten, ist die Quadratur des Kreises. Auch der häufige Verweis auf die Zuwanderung ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Laut den Wirtschaftsweisen müssten rund 1,5 Millionen Menschen jährlich zuwandern, die hierzulande arbeiten. Was bleibt? Selbständige mit in das System einbeziehen? Die CDU will neben der gesetzlichen Rentenversicherung eine verpflichtende kapitalgedeckte Altersvorsorge für alle einführen. Das ist auch das Modell, das die FDP favorisiert. Allerdings gibt es hier keinerlei Garantie, dass sich das am Ende wirklich so auszahlt wie erhofft. Beiträge erhöhen? Das dürfte ebenso unpopulär sein wie die Aussicht, länger zu arbeiten. Zumal die Politik in den letzten Jahren mit der Rente mit 63 eher andere Anreize gesetzt hat.

Richtig ist auch: Bis 2031 erhöht sich das gesetzliche Rentenalter bereits schrittweise auf 67 Jahre. Auch das Alter für die Rente für besonders langjährige Versicherte, bekannt eben

als Rente mit 63, steigt bis dahin auf 65 Jahre. Aber: Das durchschnittliche Alter, zu dem die Menschen tatsächlich in Altersrente gehen, lag im vergangenen Jahr bei 64,4 Jahren.

Man kann sich politisch leicht ausrechnen, dass der Vorschlag der CDU im Wahljahr nicht das Licht der Welt erblicken wird. Aber ehrlich wäre es.

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