Rennen um den CDU-Vorsitz Norbert Röttgen - Solitär in seiner Partei

Berlin · Norbert Röttgen liegt im Rennen um den Parteivorsitz auf Außenseiter­position. Am Montag stellt er sich beim Ständehaus-Treff der Rheinischen Post in der Merkur Spiel-Arena den Fragen von Chefredakteur Moritz Döbler.

 Im Februar erklärte Norbert Röttgen vor Medienvertretern, dass er für den CDU-Bundesvorsitz kandidieren wird.

Im Februar erklärte Norbert Röttgen vor Medienvertretern, dass er für den CDU-Bundesvorsitz kandidieren wird.

Foto: picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz Mitte Februar schwieg Norbert Röttgen noch. In seine Pläne, sich um den CDU-Vorsitz zu bewerben, weihte er noch nicht einmal enge Weggefährten ein. Er folgte seinem eigenen Plan – wie so oft in seinem politischen Leben. Wenige Stunden, nachdem er der verblüfften Öffentlichkeit seine Kandidatur erklärt hatte, saß er vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz in Berlin und stellte einen Sechs-Punkte-Plan vor, in dem er die CDU als Partei der Mitte und der deutschen Einheit präsentierte. Er forderte eine Zurückgewinnung der klimapolitischen Glaubwürdigkeit für seine Partei und Steuerentlastung für Normalverdiener, sagte dem Rechtspopulismus den Kampf an und setzte sich für eine Stärkung der europäischen Außenpolitik ein. Kurzum: Er präsentierte sich als Kandidat der Mitte – smart, modern und moderat.

Kurz danach brach Corona aus und der Kandidat Röttgen verblasste hinter Lockdown, Intensivmedizin, Kurzarbeit, Milliardenhilfen und den Debatten um Schutzmaßnahmen. In der Frage, wer Merkels Erbe antreten kann, rückten NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) in den Mittelpunkt.

Aber Röttgen weiß, wie man sich aus einer Defensivposition nach vorn bringt. In den vergangenen Wochen war er die zentrale Stimme in der Debatte um den vergifteten russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny und die Gaspipeline Nord Stream 2. Der 55-Jährige ist ein brillanter Welterklärer, der konsequent und wissensreich argumentieren kann. Nur wenn es darum geht, politische Positionen aus dem alltäglichen Leben abzuleiten, bleibt er merkwürdig blass. Dabei müsste er als dreifacher Vater eigentlich auch viel vom normalen Leben verstehen.

Eine Erklärung, warum Röttgen im Jahr 2012 die Landtagswahl in NRW als Spitzenkandidat der CDU verloren hat, liegt in einer immer wieder beschriebenen mangelnden Nähe zu den Leuten. Röttgen fehlt, was man in Bayern Bierzelttauglichkeit nennt und sich in NRW daran bemisst, ob man bei einer Currywurst mit den Menschen ins Gespräch kommt. Auf Landesebene spielen solche Qualitäten eine größere Rolle als auf Bundesebene. Angela Merkel wird zwar für ihre Bodenständigkeit geschätzt, volksnah ist sie allerdings nicht.

Nach der Landtagswahl 2012 war für Röttgen der Tiefpunkt seiner Karriere erreicht. Merkel warf ihn als Umweltminister aus dem Kabinett. Vor dem Hintergrund, dass sich Röttgen nicht mehr hatte zu Schulden kommen lassen, als mit einem falschen Kalkül in diesen Landtagswahlkampf gegangen zu sein, war das eine knallharte Reaktion. Röttgen ist tief gefallen und dennoch in der Politik geblieben. Anders als sein Konkurrent Friedrich Merz hat er sich nicht darauf verlegt, das große Geld zu verdienen. Vielmehr stellte er sich in der Fraktion wieder hinten an, profilierte sich als Außenpolitiker und verkniff sich jede Bemerkung über die Kanzlerin. Demütig ging er in die Resozialisierung. Er ist wieder weit gekommen, auch wenn er im Kampf um den Chefsessel in der CDU-Parteizentrale nur Außenseiterchancen hat. Wie er diese nutzen möchte, welche Agenda er verfolgt und wen er eigentlich unterstützen würde, sollte es zu einer Stichwahl zwischen Laschet und Merz kommen – diese und andere Fragen sind noch offen. Chefredakteur Moritz Döbler wird den CDU-Politiker auf der Bühne beim Ständehaus-Treff der Rheinischen Post am Montag in der Merkur Spiel-Arena befragen.

Röttgen ist zwar medial inzwischen wieder dauerpräsent, eine tiefere öffentliche Analyse seiner Fehler von 2012 hat er aber immer vermieden. Man fragt sich: Was hat der Mann aus seiner Niederlage shakespear’schen Ausmaßes gelernt? Genauso wie früher bleibt er ein Solitär in seiner Partei. Während Merz und vor allem Laschet ein breites Geflecht aus Unterstützern haben, war Röttgen nie ein systematischer Netzwerker. Dennoch ist er im CDU-internen Wahlkampf eine wichtige Größe. Er kann auf die Schärfe seiner politischen Analyse und die Wirkung seiner rhetorischen Fähigkeiten setzen. Vor dem Hintergrund, dass es keinen klar von der Mehrheit der Partei getragenen Kandidaten gibt, wird die Rede beim Parteitag zentral sein.

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