Affäre in bayerischen Landtag Renate Schmidt steht auf der Amigo-Liste

München · Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) hat in der Affäre um die Beschäftigung von Angehörigen am Freitag eine Liste aller betroffenen Abgeordneten veröffentlicht. Mit Renate Schmidt und Siegfried Schneider sind zwei prominente Politiker betroffen.

 Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm hat der Öffentlichkeit die komplette Liste der betroffenen Abgeordneten vorgelegt.

Die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm hat der Öffentlichkeit die komplette Liste der betroffenen Abgeordneten vorgelegt.

Foto: dpa, lmb_gr_ken sja

Demnach haben insgesamt 79 Abgeordnete von der seit dem Jahr 2000 geltenden Regelung profitiert. Bei den meisten handelte es sich um CSU-Mitglieder, darunter waren aber auch SPD-Parlamentarier und in einem Fall ein Grünen-Abgeordneter. Prominenteste Politiker sind die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) sowie der ehemalige Kultusminister und Staatskanzleichef Siegfried Schneider (CSU).

Bis 2003 haben demnach 32 Abgeordnete die Verträge mit Angehörigen auslaufen lassen, in der Legislaturperiode bis 2008 dann 30 weitere. Zuletzt hatten die Regelung noch 17 CSU-Abgeordnete genutzt.

In Bayern ist es den Abgeordneten seit dem Jahr 2000 verboten, enge Angehörige auf Steuerzahlerkosten zu beschäftigen. Es gibt aber eine Übergangslösung für schon damals bestehende Altfälle. Diese nutzten zuletzt nur noch CSU-Abgeordnete aus.

Zu den Profiteuren der Altfallregelung seit 2000 zählen auch mehrere Minister und Staatssekretäre der CSU aus dem aktuellen Kabinett von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU).

Stamm forderte größtmögliche Transparenz im Zusammenhang mit der Umsetzung der sogenannten Altfallregelung. Zugleich verwies sie darauf, dass die Übergangsregelung geltendes Recht sei und sich die Abgeordneten guten Gewissens darauf berufen könnten.

Sie räumte aber ein, dass "eine so lange Übergangsregelung nicht mehr vermittelbar" sei. Bereits bei der nächsten Landtagssitzung am 16. Mai sei geplant, ein neues Gesetz zu verabschieden.

Ude fordert Rücktritte

In der Affäre hat SPD-Spitzenkandidat Christian Ude nun den Rücktritt von fünf CSU-Kabinettsmitgliedern gefordert. Kultusminister Ludwig Spaenle, Landwirtschaftsminister Helmut Brunner sowie drei Staatssekretäre sollten zurücktreten, weil sie ihrer Ehefrauen als Bürohilfen angestellt hatten, erklärte Ude am Freitag.

Ude sprach von einer schweren Regierungskrise. Der Vorsitzende der Bayern-SPD Florian Pronold, schlug eine externe Aufsicht zur Kontrolle des Seehofer-Kabinetts vor. "Selbst wenn sie nicht gegen das Gesetz verstoßen haben, ist es auffällig, wie viele CSU-Kabinettsmitglieder ohne Scham ihre Verwandten beschäftigt haben", sagte Pronold "Handelsblatt Online". Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLi), Lasse Becker, sagte dem Blatt: "Dass die Steuerzahler ganze Abgeordnetenclans durchfüttern, ist unentschuldbar und muss Konsequenzen haben."

CSU-Chef Horst Seehofer hat Rücktrittsforderungen von Ude an fünf Kabinettsmitglieder zurückgewiesen. "Ich weiß gar nicht, was der sich da einmischt", sagte Seehofer vor dem CSU-Parteikonvent am Freitagabend in München.
"Er ist weder Parteivorsitzender noch Fraktionsvorsitzender, noch braucht ihn irgendjemand zur Lösung des Problems." Seehofer betonte: "Wir haben eine ganz klare Linie, die heißt Aufklärung und Transparenz, Schaffung von neuen Rechtsgrundlagen für die Zukunft und in eklatanten Einzelfällen personelle Konsequenzen."

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bezeichnete die Rücktrittsforderungen als "übles und durchsichtiges Wahlkampfmanöver". Es werde Ude nicht gelingen, damit von der erheblichen Mitverstrickung von SPD-Abgeordneten abzulenken. CSU-Fraktionschefin Christa Stewens warnte vor pauschalen Verurteilungen. Die Lebensleistung von Abgeordneten und deren Familienmitgliedern dürfe damit nicht diskreditiert werden.

Experte: Affäre schadet der CSU

Nach Einschätzung des Passauer Politikwissenschaftlers Heinrich Oberreuter wird die Affäre um Vetternwirtschaft die Wahlchancen der CSU bei der Landtagswahl erheblich verschlechtern. "Die Affäre ist ein erheblicher Rückschlag für die Partei, vor allem für ihre Aussichten, im Herbst wieder mit einer eigenen Mehrheit der Mandate regieren zu können", sagte Oberreuter der Onlineausgabe des "Handelsblatts".

Über die Affäre stürzte bereits CSU-Landtagsfraktionschef Georg Schmid, der seine Frau für bis zu 5500 Euro im Monat beschäftigt hatte. Außerdem räumten inzwischen mehrere Politiker ein, dass die Beschäftigung von Ehefrauen und Kindern auf Steuerzahlerkosten unklug gewesen sei.

Bayern ist die Ausnahme

Bayern ist die Ausnahme: Im Bundestag und in den Landtagen anderer Bundesländer ist es den Abgeordneten verboten, Familienangehörige oder Lebenspartner auf Staatskosten zu beschäftigten. Dies ergab am Freitag eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa. In den befragten Landtagen ist kein Fall einer derartigen Vetternwirtschaft wie in Bayern bekannt.

Für den Bundestag ist die einschlägige Regelung in Paragraf 12 Absatz 3 des Abgeordnetengesetzes festgelegt. Dort heißt es: "Der Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Mitarbeitern, die mit dem Mitglied des Bundestages verwandt, verheiratet oder verschwägert sind oder waren, ist grundsätzlich unzulässig. Entsprechendes gilt für den Ersatz von Aufwendungen für Arbeitsverträge mit Lebenspartnern oder früheren Lebenspartnern eines Mitglieds des Bundestages."

In manchen Landtagen wie in Nordrhein-Westfalen wird in einem "Überkreuzverbot" sogar ausgeschlossen, dass Ehepartner anderer Landtagsabgeordneter aus öffentlichen Geldern bezahlt werden.
Meistens aber legen die Abgeordnetengesetze fest, dass die Beschäftigung eigener Kinder oder anderer Verwandter ersten, zweiten und in einigen Fällen auch dritten Grades untersagt ist.

In Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen oder Schleswig-Holstein müssen die Mitglieder des Landtages gegenüber der Verwaltung sogar versichern, dass sie mit ihren Mitarbeitern nicht verwandt, verschwägert oder verheiratet sind oder in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft leben. In Brandenburg ist derzeit ein Gesetzentwurf zur Reform des Abgeordnetenrechts in der Beratung, der eine Verschärfung der bislang geltenden Regelung vorsieht.

(AFP/felt/nbe)