Bürgermeisterwahl in Berlin Renate Künast will es wissen

Berlin (RPO). Glaubt man den Umfragen, hat Renate Künast gute Chancen, im kommenden Jahr die erste grüne Bürgermeisterin von Berlin zu werden. Heute gab sie ihre Kandidatur für das Amt des Regierenden Bürgermeisters bekannt. Mit harschen Worten kritisierte sie die derzeitige rot-rote Regierung.

Renate Künast tötet einen Fisch
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"Ich bin bereit, ich kandidiere für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin", sagte Künast auf einem Mitgliederabend der Berliner Grünen unter großem Beifall von rund 900 Gästen. Es gehe bei der Wahl um viel - es gehe darum, ob die Politik wieder zu den Berlinern finde. Nominiert werden soll Künast offiziell am Sonntag auf einem Landesparteitag der Grünen.

Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Grünen bei der Wahl am 18. September 2011 in Berlin stärkste Kraft wird und erstmals den Regierungschef in einem Bundesland stellen könnte. Unter der Hand stand schon seit längerem fest, dass sie ihren Hut in den Ring werfen würde, am Freitagabend gab sie ihre Kandidatur als Spitzenkandidatin der Grünen bekannt. Auf der Mitgliederversammlung in Berlin ging sie mit der derzeitigen rot-roten Regierung hart ins Gericht. Berlin sei eine blockierte Stadt, die wieder eine Zukunft brauche. Außerdem forderte sie einen Aufbruch für die Stadt. Berlin habe mehr verdient als "lustloses Regieren".

Sie verwies zudem auf die großen Probleme der Stadt: die hohe Arbeitslosigkeit, Armut, zu wenig Förderung an den Schulen und die "hohe Mietpreispolitik". All das müsse geändert werden, betonte Künast. "Es ist unsere Stadt und wir wollen sie nicht herumdümpeln lassen." Berlin solle eine Stadt für alle sein. Erforderlich sei auch eine neue politische Kultur, in der man gemeinsam Lösungen für Probleme entwickele.

Doch einfach wird es für Renate Künast nicht werden. Ihr muss der Spagat gelingen, ziemlich gegensätzliche Gruppen dauerhaft an die Partei zu binden. Das sind zum einen die Stammwähler, zumeist überzeugte Atomkraftgegner, die seit Jahren ihr Kreuz bei den Grünen machen. Der Stimmenzuwachs rekrutiert sich aus ehemaligen SPD- oder Nichtwählern. Die zweite große Gruppe nennt Forsa-Chef Manfred Güllner Verzweiflungswähler. Diese haben Union, dann FDP gewählt und sind nun bei den Grünen gelandet. Kompatibel sind diese Gruppen eigentlich nicht. Die grünen Stammwähler verstehen sich als links. Die ehemaligen SPD-Wähler und die "Verzweiflungswähler" verorten sich dagegen in der politischen Mitte.

"Künast muss es schaffen, ihre Kernwähler zu behalten und zusätzlich neue Gruppen fest an sich zu binden", beschreibt der Parteienforscher Gero Neugebauer die vor der Spitzengrünen liegenden Aufgaben. Damit stehen auch die Grünen vor den Problemen, die schon die Volksparteien CDU, CSU und SPD nicht lösen konnten: eine Klammer für eine heterogene Wählergruppe zu bilden. "Die Grünen müssen den Eindruck vermeiden, das sie Politik für eine bestimmte Klientel machen", sagt Güllner. Sie seien immer noch die Partei der Wohlhabenderen und der höheren Bildungsschichten. Allein 40 Prozent der Beamten im höheren Dienst würden grün wählen.

Mit welchen Aussagen Künast ihre Wähler zusammenhalten will - laut jüngster Forsa-Umfrage mit 29 Prozent stärkste Partei in Berlin - ist noch unklar. Kommenden März soll ein Landesparteitag das Wahlprogramm beschließen. Man könne den Grünen auf keinen Fall garantieren, dass sich die vorteilhafte Stimmung auch in Stimmen umsetzen lasse, sagt Güllner und resümiert: "Das ist schwer, aber machbar."

Dass Künast den Aufgaben des Regierenden Bürgermeisters gewachsen ist, bezweifeln auch politische Gegner nicht ernsthaft. Die ehemalige Bundesministerin und Ex-Vorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus verfügt über ausreichend politische Erfahrung. Zudem genießt Künast, die seit mehr als 30 Jahren in Berlin lebt und 14 Jahre dem Abgeordnetenhaus angehörte, viel Sympathie. Jeder zweite Deutsche findet es gut, wenn sie Wowereit an der Spitze der Landesregierung ablösen würde, ergab eine aktuelle Umfrage.

Unterstützung aus dem Bund

Die bundespolitische Parteispitze stellte sich bereits am Nachmittag hinter die derzeitige Fraktionschefin im Bundestag. In der Partei gebe es dafür "große Unterstützung", sagte Parteichefin Claudia Roth im SWR. "Wir würden uns selber politisch nicht ernst nehmen, wenn wir eine solche Chance nicht ergreifen würden", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans Christian Ströbele dem Sender MDR Info. Er räumte zugleich ein, dass die Entscheidung schwierig sei, weil Künast als Fraktionschefin im Bundestag "kaum ersetzbar" sei.

(RTR/DAPD)
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