Nach der „Reichsbürger“-Razzia Wie die Politik sich gegen Reichsbürger wehren will

Berlin · Nach den Sondersitzungen mehrerer Bundestagsausschüsse wird sich auch das Plenum des Parlaments in dieser Woche mit den Umsturzplänen der „Reichsbürger“-Szene beschäftigen. Im Bundestag ist die Aufruhr groß.

 Razzien bei der Reichsbürger-Szene, hier in Baden-Württemberg.

Razzien bei der Reichsbürger-Szene, hier in Baden-Württemberg.

Foto: dpa/Uli Deck

Die Reichbsürger-Razzia zieht weitere Kreise: Nach Bekanntwerden neuer Details werden nun verstärkt Forderungen nach verschärften Maßnahmen laut. Nach den Sondersitzungen der Bundestagsausschüsse gehe es nun darum, was mit Blick auf das Waffen- und Disziplinarrecht geändert werden müsse, sagte etwa Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann am Dienstag. Die Gefahren seien schon seit Jahren bekannt. Es gebe keinen Raum für eine „Banalisierung“ des in der Vorwoche ausgehobenen Netzwerks. „Wir müssen diese Gefahren ernstnehmen.“ Auch das Plenum des Parlaments werde sich in dieser Woche in aktuellen Stunden mit den Umsturzpläne der „Reichsbürger“-Szene beschäftigen.

Was war passiert? Die Bundesanwaltschaft hatte vergangene Woche bei einem der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich 25 Menschen festnehmen lassen. Unter den Festgenommenen ist die Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Gegen sie läuft inzwischen ein Disziplinarverfahren. Als ehemalige Abgeordnete hatte Malsack-Winkemann - wie alle ausgeschiedenen Parlamentarier, die dies wünschen - Zugang zu den Gebäuden des Bundestages.

Immer stärker gerät die AfD nun ins Blickfeld: „Es ist sichtbar, dass ganz offensichtlich die AfD ein trojanisches Pferd ist, die Feinden der Demokratie einen Zugang zum Parlament verschaffen kann“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel. Die Bundestagsverwaltung sollte seiner Auffassung nach prüfen, ob auch bei anderen früheren AfD-Abgeordneten mittlerweile neue Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden vorliegen, die auf eine Gefährdung des Parlaments und seiner Liegenschaften schließen lassen. Lägen derartige Erkenntnisse vor, müsse sofort ein Betretungsverbot ausgesprochen werden, forderte Vogel. „In unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung müssen die Institutionen und Symbole der Demokratie vor Angriffen von Extremisten geschützt werden", betonte er.

Die AfD-Bundestagsfraktion wiederum will die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses fordern, sollten sich die Vorwürfe im Zusammenhang mit den Festnahmen nicht erhärten. „Bei diesem ganzen Aufriss, der hier veranstaltet wurde“ sei das alles dürftig. „Wenn sich das in den nächsten Tagen nicht ändern sollte, werden wir einen Untersuchungsausschuss fordern“, sagte Fraktionschefin Alice Weidel. Die AfD-Politikerin kritisierte auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD). Andere Themen würden außer Acht gelassen, wie etwa offene Grenzen und Kriminalität. Die Innenministerin solle sich damit beschäftigen „und nicht mit so einem, sag ich jetzt mal, angestrebten „Rollator-Putsch““.

Bei der CSU-Landesgruppe wiederum hält man genau das für die politische Masche der AfD. Wenn eine Gruppe von Personen Pläne schmiede, mit Waffengewalt die Macht an sich zu ziehen, habe das „die Qualität des Versuches eines Staatsstreichs“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Wenn in der AfD in diesem Zusammenhang von „Rollator-Revolution“ gesprochen werde, sei dies der Versuch einer Relativierung. Er verlangte, die AfD auf Bundesebene vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Laut einer Umfrage glaubt etwa die Hälfte der Bevölkerung, dass von Reichsbürgern eine ernste Gefahr für die Demokratie und ihre Repräsentanten ausgeht. Bei einer Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov vertraten 53 Prozent der Teilnehmer diese Ansicht. 31 Prozent der Befragten sehen eine solche Gefahr nicht. 15 Prozent der Teilnehmer äußerten sich zu dieser Frage unentschieden. Im Westen wird die Gefahr den Angaben zufolge etwas größer eingeschätzt als im Osten Deutschlands.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort