Koalition will Datenschutz verschärfen Regierung warnt vor "Super-Gau" im Netz

Berlin (RPO). Die Bundesregierung plant eine umfassende Neuregelung des Datenschutzes im Internet. Auslöser der verschärften Gangart sind auch die jüngsten Querelen um Wikileaks, spickmich.de oder Google Street View.

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Foto: AP

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) plädierte am Wochenende für eine Rundumerneuerung des Datenschutzes. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) mahnte, ohne vernünftige Grenzen könne das Internet zum "Super-Gau" für die Persönlichkeitsrechte werden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) räumte Nachholbedarf ein.

Die Bundesregierung hat für Dienstag einen IT-Gipfel in Dresden angesetzt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte erst vor wenigen Tagen einen verschärften Datenschutz im Internet in Aussicht gestellt und dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt.

Merkel plädierte beim Thema Datenschutz für einen Mittelweg. "Das Internet darf einerseits kein rechtsfreier Raum sein, auf der anderen Seite darf man die Möglichkeiten des Internets nicht von vornherein zu sehr einschränken", sagte sie in ihrem wöchentlichen Video-Podcast. "Wir haben sicherlich noch nicht die ausreichenden Regelungen, die wir brauchen", sagte sie. Deshalb habe de Maizière seine Vorschläge dazu präsentiert.

"Datenschutzrecht grundlegend erneuern"

Leutheusser-Schnarrenberger legte nun nach. Die jüngsten Debatten um Portale wie Spickmich, Facebook oder Geodatendienste wie Google Street View hätten gezeigt, "dass das Datenschutzrecht grundlegend erneuert werden muss", schrieb . Eine gesetzliche Regelung dürfe sich nicht auf einzelne Aspekte und Angebote im Internet beschränken. Um die Privatsphäre zu schützen und die Betroffenenrechte zu stärken, sei es notwendig, Einwilligungs- und Widerspruchsrechte im Datenschutzrecht grundsätzlich zu verankern. Außerdem könnten soziale Netzwerke verpflichtet werden, ihre Angebote von vornherein datenschutzsensibel auszugestalten.

Kauder sagte, das Internet schaffe Freiheit, "es gefährdet sie aber auch massiv". Er forderte für den Internetnutzer ein umfassendes Auskunftsrecht darüber, welche Daten von ihm gespeichert werden. Der CDU-Politiker appellierte zugleich an die Internetnutzer, sich auch selbst gegen die Datensammelwut der Online-Konzerne zur Wehr zu setzen. Wenn die Nutzer von Google oder die Kunden großer Internet-Händler Auskunft über ihre persönlichen Daten oder deren Löschung verlangten, könnten sie für den Datenschutz im Internet viel erreichen, sagte er. Öffentlicher Druck sei hier "viel wirkungsvoller" als Gesetze.

Veröffentlichungen wie die von Wikileaks seien gesetzlich nicht zu verhindern, sagte Kauder. Der Schlüssel liege woanders. "Wenn die USA derart gigantische Datenmengen anhäufen, dann müssen sie ebenso gigantische Anstrengungen zu deren Schutz unternehmen", forderte Kauder und warf den USA einen "schlampigen" Umgang mit Datenschutz vor.

Wikileaks hatte vor einer Woche rund 250.000 teils vertrauliche Dokumente des US-Außenministeriums ins Internet gestellt und damit diplomatische Verwicklungen ausgelöst.

Gabriel kritisiert Wikileaks

SPD-Chef Sigmar Gabriel mahnte, die Wikileaks-Veröffentlichungen dürften nicht "als Symbol für Freiheit und Transparenz im Netz" ideologisiert werden. Es gehe hier nicht um einen Spaß im Internet. "Die Veröffentlichungen können Leib und Leben von Menschen gefährden, wenn Militäroperationen und Verteidigungsanstrengungen öffentlich werden", sagte er. "Es müssen alle Anstrengungen für größere Datensicherheit unternommen werden."

Der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer forderte die staatlichen Stellen auf, vertrauliche Kommunikation besser zu schützen. "Es gibt hier sicher so etwas wie die Bringschuld der Behörden, die per Mail miteinander kommunizieren", sagte er. "Wenn die nötige Vertraulichkeit technisch nicht erreicht werden kann, dann müssen sich die Behörden andere Wege suchen."

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kündigte Konsequenzen für sein Ministerium an. Das Haus werde prüfen, ob durch die Veröffentlichung der Dokumente "Sicherheitsinteressen unseres Landes oder unserer Verbündeten betroffen sind". Geklärt werde auch, ob die IT-Sicherheit im Ministerium verbessert werden müsse.

(apd/pst)
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