Rechtsextremer Richter Juristischer Streit um den AfD-Politiker Jens Maier

Dresden · Der Sächsische Verfassungsschutz stuft den AfD-Politiker Jens Maier als rechtsextrem ein. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag will er wieder als Richter im Freistaat arbeiten. Das sorgt nicht nur in Sachsen für Gesprächsstoff.

 Jens Maier auf einer Kundgebung 2018 in Dresden. Er will wieder als Richter arbeiten.

Jens Maier auf einer Kundgebung 2018 in Dresden. Er will wieder als Richter arbeiten.

Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Von einer neuerlichen Arbeit in Dresden muss Jens Maier, Richter mit AfD-Parteibuch, schon zu Zeiten als Bundestagsabgeordneter geträumt haben. Im Februar 2021 schilderte er auf einem Parteitag in der Elbestadt seine Gemütslage. Dresden sei die „Hauptstadt des Widerstandes“, Berlin die Stadt des „Multikulti, der Dekadenz und des allgegenwärtigen Kulturrassismus“: „Wenn ich dann freitags von Berlin nach Sachsen zurückkomme, nach Elbflorenz, dann ist das so, als ob man aus dem Dunkeln ins Licht zurückkehrt.“

Der 59-Jährige wurde damals auf Platz 2 der Landesliste für den Bundestag gewählt. Das reichte nicht. Da die AfD in Sachsen mehrere Direktmandate holte, zog die Liste am Ende nicht.

Kurz vor Weihnachten 2021 stellte Maier den Antrag auf Rückkehr in die sächsische Justiz, sein früherer Arbeitsplatz war das Dresdner Landgericht. Allerdings läuft die Heimkehr ins lichte Sachsen nicht ganz so geräuschlos, wie er sich das vorgestellt haben mag. Aus Sicht des Justizministeriums ist der Fall klar: Laut Abgeordnetengesetz hätten Richter das Recht, wieder ins Dienstverhältnis zurückzukehren. Allerdings gebe es keinen Anspruch auf die frühere Dienststelle. Bis 15. März muss das Ministerium entscheiden, wo der vom sächsischen Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestufte Maier künftig wieder Recht sprechen darf. Einzelheiten will man nicht mitteilen.

Spätestens seitdem der Fall Maier bei den „ARD-Tagesthemen“ auftauchte, sorgt er bundesweit für Diskussionen. Dabei geht es vor allem um die Frage, ob man einen Mann wie Maier, der sich durch den Begriff Rechtsextremist eher geadelt fühlt, nicht doch die Rückkehr auf den Richterstuhl verwehren kann. „Wer in diesen Zeiten nicht als Rechtsextremist diffamiert wird, der macht irgendetwas verkehrt“, hatte Maier auf dem Parteitag damals erklärt. Für Rico Gebhardt, Fraktionschef der Linken im Sächsischen Landtag steht fest: „Dieser Mann darf nie wieder Recht sprechen.“ Auch der SPD-Politiker Albrecht Pallas hält Maier für „untragbar“.

Beim Internationalen Auschwitz Komitee löst die Vorstellung einer Rückkehr Maiers ebenfalls Entsetzen aus. „Für Überlebende des Holocausts und Verfolgte des Naziregimes ist die Vorstellung, dass ein solcher Mensch als Richter im Namen des deutschen Volkes Urteile fällen sollte, schlichtweg unvorstellbar und unerträglich“, sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner. Es bleibe zu hoffen, dass Maier von der rechtsprechenden Justiz ferngehalten werde.

Ganz so einfach scheint es jedoch nicht. Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) steckt in einer Zwickmühle. Sie muss Recht und Gesetz befolgen, ist aber zugleich politischem Druck ausgesetzt. „Also ich glaube, man kann mir als Person wirklich nicht vorwerfen, dass ich, was die Frage der Bekämpfung des Rechtsextremismus angeht, da nicht eine klare Haltung habe“, sagte sie dieser Tage in einem Podcast von Sächsische.de, einem Online-Angebot der „Sächsischen Zeitung“. Die oberste Dienstbehörde habe beim Abgeordnetengesetz keinen Ermessensspielraum, betonte die Ministerin, ohne Maier namentlich zu nennen: „Ich kann nicht eingreifen. Wenn ich, wenn wir das tun könnten, dann würden wir es tun.“

Der Bremer Verfassungsrechtler Andreas Fischer-Lescano widersprach - zuerst in einem Blog und dann in den „ARD-Tagesthemen“. Er meint, dass ein Mann wie Maier nie wieder eine Robe überstreifen darf. Die Haltung der sächsischen Justiz hält er für „skandalös“; er beschuldigt sie, sich dem Kampf gegen den Rechtsextremismus zu verweigern. In der ARD nannte er die Justizministerin sogar einen „Teil des Problems“. Das Ministerium könne durchaus mit einem Disziplinarverfahren eingreifen, solange Maier noch keinem Gericht zuordnet sei und ein Eilfall mit „Gefahr in Verzug“ vorliege.

Meier hielt in besagtem Podcast dagegen: „Und ich habe, um ehrlich zu sein, auch noch keinen anderen Wissenschaftler oder jemanden mit juristischem Sachverstand gehört, der die Meinung von Herrn Fischer-Lescano teilt.“ Ein Disziplinarverfahren müsse von dem Gericht, an dem Maier später wieder arbeite, auf den Weg gebracht werden. Das Land Sachsen selbst könne ein solches Verfahren nicht anstrengen. „Wenn wir das als Ministerium machen würden, dann würden wir möglicherweise einen unheilbaren Mangel produzieren“, sagte sie. Damit könnte dann auch ein mögliches Disziplinarverfahren am Gericht scheitern: „Dann hätten wir also alle Möglichkeiten verwirkt.“

Der Neuen Richtervereinigung zufolge kann nur eine Richteranklage klären, ob Maier weiter die Robe trägt. „Ein Richter, der nicht die Gewähr dafür bietet, auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stehen, hat in diesem Amt nichts zu suchen“, sagt Landessprecher Ruben Franzen und verweist auf Artikel 80 der Landesverfassung. Demnach kann der Landtag mit Zwei-Drittel-Mehrheit beim Bundesverfassungsgericht beantragen, dass ein Richter in ein anderes Amt oder in den Ruhestand versetzt wird. Eine solche Landtagsmehrheit wäre mit den Koalitionsfraktionen von CDU, Grünen und SPD im Verbund mit den Linken gegeben.

Zudem gilt es zu klären, ob Maiers Äußerungen als Politiker bei der rechtlichen Beurteilung des Anspruches auf Rückkehr zur Justiz überhaupt eine Rolle spielen dürfen. Das sächsische Justizministerium sieht einen Ansatzpunkt in einem geänderten Abgeordnetengesetz. Es sei dringend geboten, darüber zu reden, wie man Verfassungsfeinde aus dem Öffentlichen Dienst entfernen oder fernhalten könne, schrieb die Justizministerin in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ - wieder ohne den Namen Maier zu erwähnen.

Jens Maier will sich zu all dem nicht äußern. Seine Partei spricht von einer „medialen Hexenjagd“: „Die sächsische AfD steht zu ihrem ehemaligen Bundestagsabgeordneten Jens Maier“, erklärt Partei- und Fraktionschef Jörg Urban.

(mabu/dpa)
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