Nach Entscheid des Verfassungsgerichts Kommissarische SPD-Chefin Dreyer begrüßt Urteil zu Hartz-IV-Sanktionen

Berlin · Nach dem Urteil zu den Hartz-IV-Sanktionen am Bundesverfassungsgericht fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer begrüßt das Urteil. Das Ifo-Institut fordert eine grundsätzliche Reform

 Malu Dreyer (Archivfoto).

Malu Dreyer (Archivfoto).

Foto: dpa/Arne Dedert

Die kommissarische SPD-Vorsitzende Malu Dreyer sieht in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen scharfe Hartz-IV-Sanktionen eine Bestätigung für das Sozialstaatskonzept ihrer Partei. Dies müsse jetzt die Grundlage für Diskussionen auch mit der Union über Gesetzesänderungen bei Hartz IV sein, sagte Dreyer unserer Redaktion. „Ich begrüße das Urteil des Verfassungsgerichts, denn es schafft Klarheit in einem Bereich, der viele Konflikte geschaffen hat“, sagte Dreyer. Das Gericht verlange vom Gesetzgeber nun, die Grundsicherung weiterzuentwickeln. „Mit dem Sozialstaatskonzept, das wir im Frühjahr vorgelegt haben, treffen wir den Kern der Vorgaben des Verfassungsgerichts. Es ist damit eine gute Grundlage für die weiteren Diskussionen auch mit der Union.“ Dreyer betonte, dass Rechte und Pflichten zwei Seiten einer Medaille im Sozialstaat seien. „Das Urteil bestärkt aber die Haltung der SPD, dass unsinnige und vor allem unwürdige Sanktionen abgeschafft gehören“, so die SPD-Chefin.

Ifo-Chef Clemens Fuest fordert eine grundlegende Hartz-IV-Reform. „Die Politik sollte das Urteil zum Anlass nehmen, Hartz IV grundlegend zu reformieren“, sagte Fuest unserer Redaktion. „Sanktionen sind notwendig, müssen sich aber im zulässigen Rahmen halten“, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts. „Das bestehende System schafft außerdem zu geringe Anreize, über eine Teilzeitbeschäftigung hinaus das Arbeitsangebot zu erhöhen“, sagte Fuest. Das Ifo-Institut habe deshalb kürzlich einen Vorschlag für eine grundlegende Reform vorgelegt, um die Anreize für Hartz-IV-Empfänger zu verbessern, neben dem Bezug des Arbeitslosengeldes II mehr als nur einen Mini-Job aufzunehmen. So solle etwa der anrechnungsfreie Betrag von 100 Euro für Singles abgeschafft werden. Im Gegenzug solle aber ein größerer Teil eines höheren Hinzuverdiensts nicht mehr auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden.

Die Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion hat auf das Urteil unterdessen gelassen reagiert. „Mit dem Urteil kann man leben. Das Wichtigste für uns ist, dass das Verfassungsgericht die Zumutbarkeitsregeln im Hartz-IV-System nicht beanstandet und das Prinzip Fordern und Fördern im Grundsatz bestätigt“, sagte der Chef der Arbeitnehmergruppe, Peter Weiß unserer Redaktion. „Das Urteil löst insofern keine Totalrevision des Sozialgesetzbuchs II aus“, sagte Weiß. „Leistungskürzungen von über 30 Prozent gibt es ohnehin nur für eine ganz kleine Minderheit der Bezieher. Die allermeisten Sanktionen werden wegen Termin- und Meldeversäumnissen verhängt. In diesen Fällen wird die Leistung nur um zehn Prozent gekürzt“, sagte Weiß.

Die monatelangen Leistungskürzungen für Hartz-IV-Bezieher, die ihren Pflichten nicht nachkommen, sind teilweise verfassungswidrig und müssen ab sofort abgemildert werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Vorübergehende Leistungsminderungen seien zwar möglich, sagte Vizegerichtspräsident Stephan Harbarth am Dienstag bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Die derzeitige Ausgestaltung werde den strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit aber nicht gerecht.

(jd/mar/lukra/hebu)
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