Überparteiliche Empörung Proteste gegen Linken-Überwachung

Berlin · Die Beobachtung von Abgeordneten der Linksfraktion sorgt auch bei politischen Gegnern für Empörung. Selbst Koalitionspolitikern geht das zu weit. Der zuständige CSU-Innenminister Friedrich sieht dennoch keinen Handlungsbedarf.

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Foto: dapd

Die Überwachung von 27 Bundestagsabgeordneten der Linken durch den Verfassungsschutz hat quer durch alle Fraktionen für Unmut gesorgt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nannte das Ausmaß der Beobachtung übertrieben und unverhältnismäßig. Ähnlich äußerten sich am Montag Politiker von FDP und SPD. Grüne und Linke stellten den Verfassungsschutz grundsätzlich infrage.
CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich sieht dennoch keinen Anlass, die bisherige Praxis zu ändern. Die Generalsekretäre von CDU und CSU stärkten ihm den Rücken.

Am Wochenende hatte der "Spiegel" berichtet, dass der Verfassungsschutz 27 der 76 Bundestagsabgeordneten der Linken beobachtet, darunter Fraktionschef Gregor Gysi, Parteichefin Gesine Lötzsch und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Das Innenministerium bestätigte zwar die Zahl der beobachteten Abgeordneten, wollte aber unter Berufung auf eine Geheimhaltungspflicht keine Namen nennen.
Nach Angaben des Ministeriums wurden bei der Beobachtung nur offene Quellen wie Zeitungsartikel und Reden ausgewertet.

Gysi: Verfassungsschutz lügt

Linksfraktionschef Gregor Gysi bezweifelt das. "Die lügen, die arbeiten auch mit geheimdienstlichen Methoden", sagte er vor Journalisten. Ein Beleg dafür sei, dass in Verfassungsschutzakten über ihn, die er eingesehen habe, Stellen geschwärzt worden seien. "Wenn es ausschließlich öffentlich zugängliches Material ist, ist das Unsinn", sagte er. Gysi hatte Ende vergangenen Jahres erstmals seine Verfassungsschutzakte eingesehen.

In einem Brief an Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Lammert forderte Gysi ein Ende der Überwachung der Linken. Durch die bisherige Praxis werde "das Grundgesetz schwerwiegend und in mehrfacher Hinsicht verletzt", heißt es in dem Schreiben.

Die Linke kann auf ungewöhnlich breite Solidarität bauen, zumindest was die Einschränkung der Beobachtung von Abgeordneten angeht. Die Grünen stellten sogar die Existenz des Inlands-Geheimdienstes infrage. "Angesichts der Performance ...
stellt sich die Frage, wie es weitergehen kann mit dem Verfassungsschutz", sagte Parteichef Cem Özdemir. Aber auch in der Koalition regte sich Protest. "Natürlich gibt es Verfassungsfeinde bei den Linken", sagte Entwicklungsminister Niebel (FDP). "Aber es kann nicht sein, dass Abgeordnete flächendeckend überwacht werden."

Bundestagspräsidium wird sich des Falls annehmen

Neben dem Parlamentarischen Kontrollgremium für die Geheimdienste wird sich voraussichtlich auch das Präsidium des Bundestags mit der Überwachung von Abgeordneten befassen. Das deutete Lammert im "Neuen Deutschland" an. Sein Stellvertreter Wolfgang Thierse von der SPD forderte in dem Blatt ein Ende der Beobachtung: "Die Überwachung von Parlamentariern halte ich für ein Unding." Lammert erklärte in einer Mitteilung, die Beobachtung entspreche zwar der gültigen Rechtslage, wie sie das Bundesverwaltungsgericht 2010 entschieden habe. "Gleichwohl müssen sich derartige Beobachtungen über ihre Verhältnismäßigkeit in Ausmaß und Dauer befragen lassen", betonte er.

Innenminister Friedrich zeigte sich unbeeindruckt. "Nur weil es öffentlichen Protest gibt, kann das nichts an der Notwendigkeit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ändern", sagte ein Sprecher Friedrichs. Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm sagte: "Dass heute eine gewisse Aufregung nach einer Presseberichterstattung entstanden ist, dafür habe ich in politischer Hinsicht durchaus Verständnis." Aber das Thema sei nicht neu. "Den Betroffenen ist das bekannt. Also:
So what?"

Nach Angaben des Innenministeriums wird die Linke - früher PDS - seit 1995 vom Verfassungsschutz beobachtet. Beim Bundesverfassungsgericht sind eine Organklage der Bundestagsfraktion und eine Verfassungsbeschwerde des thüringischen Landtagsabgeordneten Bodo Ramelow gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts anhängig.
Eine Entscheidung wird noch in diesem Jahr erwartet.

(dpa)
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