Klitschko bei Gegendemo in Berlin Hunderte bei prorussischen Kundgebungen in mehreren Städten

Frankfurt/Hannover/Stuttgart/Berlin · Unter strengen Auflagen haben sich erneut Menschen zu prorussischen Kundgebungen in Deutschland zusammengefunden. Der ukrainische Botschafter ist erzürnt. Es gab aber auch Gegenproteste, in Berlin mit prominenter Teilnahme.

 „Keine Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung“ steht auf dem Schild einer Teilnehmerin einer prorussischen Demonstration in Frankfurt am Main.

„Keine Diskriminierung der russischsprachigen Bevölkerung“ steht auf dem Schild einer Teilnehmerin einer prorussischen Demonstration in Frankfurt am Main.

Foto: dpa/Boris Roessler

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine haben am Sonntag in mehreren deutschen Städten erneut prorussische Kundgebungen stattgefunden. Es gab aber auch Gegendemonstrationen. In Berlin rief Ex-Boxweltmeister Wladimir Klitschko bei einem Solidaritätstag dazu auf, sein Land mit mehr Waffen zu unterstützen.

In Frankfurt kamen auf dem Opernplatz nach Polizeiangaben bis zu 800 Menschen zu einer prorussischen Kundgebung zusammen. Die Teilnehmer schwenkten russische und sowjetische Fahnen und riefen in Sprechchören „Russland“. Dagegen wandte sich eine Gruppe proukrainischer Demonstranten, die „Schande“, „Schande“ skandierten. Eine Polizeikette trennte beide Gruppen.

Die Stadt hatte einen geplanten Autokorso mit 700 Fahrzeugen verboten und strenge Auflagen für die Demonstration erlassen. Das Tragen bestimmter Symbole und Abzeichen wurde untersagt - etwa Abbildungen mit den Buchstaben V und Z sowie das „Sankt-Georgs-Band“. Diese stehen für die russischen Kriegsaktivitäten in der Ukraine. Verboten wurde, russische Aggressionen gutzuheißen sowie den Staat Ukraine, seine Bevölkerung sowie Opfer des russischen Einmarschs zu verunglimpfen.

Proukrainische Demonstranten legten sich auf den Boden, um an die Kriegsverbrechen an der ukrainischen Zivilbevölkerung zu erinnern. Dazu riefen sie „Butscha“. In dem Kiewer Vorort waren zahlreiche Leichen ermordeter Zivilisten gefunden worden. Auch auf dem Römerberg sowie dem Roßmarkt fanden Kundgebungen für die Ukraine statt. Insgesamt zählte die Polizei rund 2500 proukrainische Demonstranten. Blaue-gelbe ukrainische Fahnen wurden geschwenkt, auf Plakaten war in Englisch unter anderem zu lesen: „Stoppt Russland“, „Kein Gas von Russland“ und „Stoppt den Genozid“.

In Hannover trafen sich am Mittag laut Polizei mehr als 600 Menschen mit rund 350 Autos, um sich einem prorussischen Autokorso durch die Stadt anzuschließen. Zu sehen waren Russlandfahnen und deutsche Flaggen. Sie wandten sich gegen angebliche „Diskriminierung“ und „Russismus“, wie es auf einem Plakat hieß. Im Zentrum Hannovers versammelten sich rund 3500 Menschen zu einer Gegendemonstration, es wehten ukrainische Flaggen, „Stop War“, „Stop Genocide“ und „Ihr seid alle Mittäter“ stand auf den Plakaten.

In Osnabrück beteiligten sich laut Polizei rund 220 Menschen an einer Veranstaltung, die als Demonstration gegen Rassismus und Nationalismus angemeldet war. Die Polizei beanstandete mehrere prorussische Schilder und untersagte die Teilnahme mit den Schildern. Im Allgäu fuhren nach Polizeischätzung rund 275 Autos mit etwa 600 Teilnehmern bei einem Korso von Kaufbeuren nach Kempten und zurück. Der Korso richtete sich offiziell gegen die „Diskriminierung russischsprachiger Menschen“.

Durch Stuttgart rollte bereits am Samstag eine prorussische Autokolonne. Bevor sie sich mit rund 190 angemeldeten Autos in Bewegung setzte, wurde unter anderem die russische und die deutsche Nationalhymne abgespielt und zu den Klängen des russischen Volkslieds „Kalinka“ getanzt und gesungen. Die Initiatoren bezeichneten sich als „Russischsprechende“. Das Motto der Demo lautete: „Gegen die Diskriminierung russischsprechender Menschen“.

Durch das südbadische Lörrach fuhr am Sonntagnachmittag ein Autokorso mit etwa 120 Fahrzeugen und russischen, sowjetischen und deutschen Flaggen. Am Straßenrand protestierten laut Polizei 130 Menschen mit Ukraine-Flaggen. In der Innenstadt bekundeten bei einer Mahnwache 350 Teilnehmer ihre Solidarität mit der Ukraine.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, kritisierte am Sonntag die Kundgebung in Frankfurt scharf. „Ist das noch Meinungsfreiheit? Oder eine geduldete Verherrlichung eines Vernichtungskriegs gegen ukrainische Frauen & Kinder?“, fragte Melnyk auf Twitter.

Der Botschafter forderte zugleich ein Verbot russischer Fahnen und anderer staatlicher Symbole bei Demonstrationen in Deutschland. „Das Tragen aller offiziellen Symbole eines Aggressor-Staates - wie der russischen Fahne - müsste per Gesetz verboten werden, solange Russland diesen Vernichtungskrieg gegen die ukrainische Nation führt“, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. Das Zeigen der russischen Symbole habe nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, sondern mit „Verherrlichung einer barbarischen Aggression“ mitten in Europa. Melnyk verurteilte zugleich anti-russische Schmierereien am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow.

In Berlin, wo eine Woche zuvor ein Autokorso mit russischen Fahnen Empörung ausgelöst hatte, fand am Sonntag eine ganztägige Solidaritäts-Veranstaltung unter dem Motto „Leuchtturm Ukraine“ statt. Aktivisten und Besucher zur Hilfe und Unterstützung für das angegriffene Land auf. Die Veranstalter zählten mehr als 8500 Teilnehmer.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte in einer Videobotschaft: „Berlin möchte ein Leuchtturm sein für die Menschen aus der Ukraine.“ Der frühere Box-Weltmeister Wladimir Klitschko, dessen Bruder Vitali Kiewer Oberbürgermeister ist, rief per Video zu mehr Hilfe für die Ukrainer auf. „Macht alle gemeinsam Druck auf die deutsche Bundesregierung. Wir brauchen jetzt ein Embargo von Öl und Gas aus Russland. Wir brauchen jetzt mehr Waffen. Hier in der Ukraine zählt jede Stunde, jede Minute“, mahnte Klitschko.

(bora/dpa)
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