„Wohl dem drögen Vorhersehbaren“ So kommentieren deutsche Medien die Hamburg-Wahl
Der Siegeszug der AfD in allen anderen Bundesländern, die erschütternde Tat eines Rechtsterroristen in Hanau, die Zunahme der rechtsextremen Gewalt haben die Wähler bewogen, auf Kontinuität und Verlässlichkeit zu setzen: In solchen unruhigen Zeiten wählen sie amtierende Regierungen wieder. Drittens hat der rot-grüne Senat in Hamburg auch gute Arbeit geleistet: Mehr als zwei Drittel der Bürger erklärten sich vor der Wahl zufrieden mit dem Senat.
Fast fühlt man sich nach dieser Hamburger Wahl in alte Zeiten zurückversetzt. Da ist eine selbstbewusste SPD, die ein Ergebnis knapp unter 40 Prozent einfährt und mit erträglichen Verlusten zugunsten des Regierungspartners, den Grünen, weiter regieren kann.
„„Badische Zeitung“ (Freiburg)
Im Jahr vor der Bundestagswahl schütteln sich die politischen Machtverhältnisse in Deutschland kräftig durch. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Grüner oder eine Grüne der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin wird, ist größer als je zuvor. Die Möglichkeit, dass auch auf Bundesebene eine Mehrheit links der Mitte entsteht, ist ebenfalls plötzlich ein realistisches Szenario.
„Mitteldeutsche Zeitung“, Halle (Saale)
Die Hamburger haben ihren Ersten Bürgermeister mit einem sehr starken Ergebnis im Amt bestätigt, und sie haben die regierende rot-grüne Koalition im Senat wiedergewählt. Und zwar einfach deshalb, weil sie mit ihrer Arbeit zufrieden sind. Das ist ein starkes Signal für die Demokratie und die Parteien der Mitte in einer Zeit, in der Politiker Hass und Anfeindungen ausgesetzt sind und das Vertrauen in die demokratischen Institutionen von der demokratiefeindlichen Propaganda der AfD von rechts angegriffen und unterhöhlt wird.
„Der Spiegel“ (Hamburg)
Hamburg bleibt die letzte SPD-Hochburg der Republik. Das hat vor allem drei Gründe. Erstens: die Stimmung in Deutschland. Zweitens: Peter Tschentscher. Und drittens: die Hamburger Wirtschaft.
Mopo (Hamburg)
Die SPD in Hamburg mag noch so berechtigt jubeln. Zur Lage der SPD im Bund sagt das Ergebnis der Bürgerschaftswahl herzlich wenig aus. Es zeigt allein, dass bei Landtagswahlen der Bundestrend inzwischen weniger entscheidend ist als die persönliche Glaubwürdigkeit des Spitzenkandidaten.
„Allgemeine Zeitung“ (Mainz)
Dass es zu einer Wiederauflage von Rot-Grün in der großen Hansestadt kommen dürfte, ist auch ein persönlicher Triumph des eher unauffälligen Peter Tschentscher. Der frühere Arzt hat der Hamburger SPD mit der Abkopplung von der Bundes-SPD und dem wenig überzeugenden Vorsitzenden-Duo Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken offenbar das richtige Rezept verordnet.
„Mittelbayrische Zeitung“ (Regensburg)
Wohl dem drögen Vorhersehbaren! In einer Zeit, in der jede Prognose lieber dreimal gewendet wird, bevor man sie einmal äußert, wirkt das Hamburger Wahlergebnis wohltuend unspektakulär. Rot-Grün ist bestätigt, die SPD steht als haushoher Wahlsieger fest und bestätigt die These vom Amtsbonus. Die Grünen werden schnell unter ihre Fittiche eilen, bevor ihnen jemand vorhalten kann, sie hätten heimlich doch mit Grün-Schwarz geliebäugelt.
„Neues Deutschland“ (Berlin)
Na also, die SPD kann doch noch Wahlen gewinnen - und wie! Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher lässt das Willy-Brandt-Haus jubeln, obwohl die Parteizentrale herzlich wenig mit diesem Sieg zu tun hat. So liegt auch falsch, wer in diesem Erfolg schon eine Trendwende für die Bundes-SPD sieht.Im Gegenteil: Dieser Triumph wurde ausschließlich vor Ort erkämpft. Tschentscher und Co. hatten früh deutlich gemacht, dass sie keine Wahlkampfhilfe aus Berlin wünschen.
„Westfalen-Blatt“ (Bielefeld)
Dennoch hat die AfD nicht zugelegt, sogar leicht verloren. Und so nährt das Hamburger Wahlergebnis die Hoffnung, dass der scheinbar so unaufhaltsame Aufstieg dieser Partei doch nicht so unaufhaltsam ist. Die können auch verlieren. Das geht! Das ist der erste Teil der zumindest hoffnungsvollen Botschaft aus Hamburg. Dazu gehört auch, dass 62 Prozent der Wahlberechtigten in Hamburg wählen gegangen sind, deutlich mehr als vor fünf Jahren, als es nur 56,9 Prozent waren.
„Stern“ (Hamburg)
Ein Glück für die CDU, dass dies eine Wahl in Hamburg war - und nicht zum Beispiel in Schleswig-Holstein. Nördlich der Stadt stellt sie den Ministerpräsidenten; angesichts des Pakts von Thüringen hätte Daniel Günther am Sonntag womöglich um manche Wähler - und damit um sein Amt - fürchten müssen. Hamburg aber ist derzeit für die CDU, was Bayern schon immer für die SPD war: aussichtsloses Terrain. Ob sie mit 13 oder elf Prozent aus der Wahl herauskam, war dann auch schon wieder egal. Seit ihr Erster Bürgermeister Ole von Beust vor zehn Jahren abtrat, bekommt sie dort kaum noch einen Fuß auf den Boden.
„Süddeutsche Zeitung“ (München)
Das CDU-Ergebnis zeigt auch, dass die Partei kein Angebot für eine breite Wählerschaft in Großstädten hat. Dieses Problem hängt der Partei bereits seit Jahren wie ein Klotz am Bein. Von den 20 größten deutschen Städten werden derzeit nur zwei von einem Bürgermeister mit CDU-Parteitag regiert.In Hamburg nun kommt hinzu, dass den Spitzenkandidat Marcus Weinberg kaum jemand kennt. Die ansonsten CDU-affine Wirtschaft kommt zudem mit der auf Kooperation ausgerichteten Hamburger SPD gut zurecht.
„N-tv.de“ (Berlin)
Nicht gereicht hat es trotz großer Gewinne für die Grünen für das angestrebte Amt der ersten Ersten Bürgermeisterin in Hamburg. Das war wohl doch auch für den einen und die andere Wählerin aus der sogenannten Mitte zu viel des Grünen, auch wenn die Vorwahlanalysen Klimaschutz und grüne Ideen als wichtige Themen der Stadt gesehen haben. Dazu kommt, dass die Wählerinnen und Wähler Peter Tschentscher und die SPD gegen den Bundestrend für fähiger halten, die Stadt gut zu regieren. Gewinner sind auch die Wählerinnen und Wähler selbst, die durch die hohe Wahlbeteiligung gezeigt haben, dass sie sehr wohl mitreden und bestimmen wollen, wer in Hamburg regiert und ein Zeichen für Demokratie gesetzt haben.
Norddeutscher Rundfunk