BSW-Versammlungen am Wochenende Journalisten müssen ohne Einschränkung berichten dürfen
Meinung | Berlin · Wenn die Wagenknecht-Partei am Wochenende neue Landesverbände gründet, ist die Presse nur zeitweise zugelassen. Die AfD sperrte jüngst bei einer Wahlparty Journalisten aus. Auch so manche Politiker etablierter Parteien zeigen sich lieber in Social-Media-Clips, als unbequeme Fragen zu beantworten. Warum das gefährlich ist.
Wenn Journalisten über Politiker berichten, kommt nicht unbedingt das heraus, was die Politiker gerne hätten. Das kann in Zeiten, wo Öffentlichkeit auch über soziale Medien hergestellt wird, dazu verleiten, die Presse zu meiden - gerade wenn es unbequem wird. Doch das ist eine gefährliche Taktik.
Am Wochenende will das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Landesverbände in Bremen und in Niedersachsen gründen und hat für beide Parteitage die Presse weitgehend ausgeschlossen. Journalisten wurden nur zur Eröffnungsrede zu Beginn der Versammlung und später zu einer Pressekonferenz eingeladen. Ausgerechnet Sahra Wagenknecht also, die eine neue Partei gegründet hat, um Dinge anders zu machen, die ehrliche Debatten fordert, mit dem Thema Meinungsfreiheit um Stimmen wirbt, lässt solch wichtige Veranstaltungen hinter verschlossenen Türen abhalten. Auf Nachfrage teilte die Partei mit, die Presse werde ausgeschlossen, weil sich die Mitglieder – viele sind Politik-Neulinge - in vertraulicher Atmosphäre kennenlernen sollen.
Komplett ausgeladen wurden Journalisten jüngst von einer Wahlparty der Thüringer AfD. Obwohl die Veranstaltung wegen des Rechtsrucks bei der Landtagswahl von besonderem öffentlichem Interesse war, ist zahlreichen Medienvertretern die Akkreditierung verweigert worden. Als Medienhäuser klagten und recht bekamen, sagte die AfD die geplante Wahlparty kurzerhand ab.
Was populistische Parteien machen, ist das eine. Gefährlicher wird es, wenn auch die etablierten Parteien und Regierungspolitiker versuchen, öffentliche Auftritte vor der Presse gerade in Krisenzeiten, wo es besonders viele Fragen gibt, zu meiden. In Zeiten von TikTok, Instagram, YouTube und Co. gibt es für Politiker schließlich viele zusätzliche Möglichkeiten, sich selbst und ihre Inhalte zu präsentieren und den Lesern und Zuschauern nur die genehmen Botschaften zu übermitteln. Journalisten hingegen haben ein gutes Gefühl dafür, wo Politiker ausweichen, welche Informationen sie lieber zurückhalten wollen.
Für die Bürger ist es entscheidend, ein Gesamtbild zu sehen. Ansonsten geht Vertrauen verloren. Auch wenn die Ampel-Parteien und die Union deutlich zugänglicher sind als die populistischen Parteien, ist seit Jahren ein Trend beobachtbar: Die Politiker verlesen zunehmend Statements und lassen häufig keine oder nur sehr begrenzt Nachfragen zu. Sie stehen immer weniger bei langen Pressekonferenzen Rede und Antwort. Denn damit würden sie Kontrolle abgeben und könnten aus ihrer Sicht schlechter dastehen.
Doch sind es gerade die Momente, die nicht kontrollierbar sind, die aus Politikern Menschen machen, von denen Wähler einen Eindruck bekommen, wie sie ticken und was sie antreibt. Das kann der Gesichtsausdruck sein auf die Frage, die sie aus dem Konzept bringt. Oder die Körpersprache, der plötzliche Wutausbruch, die Heiterkeit, der Umgang mit einer unerwarteten Situation. Wenn sie authentisch sind, sind sie besser einzuschätzen. Das kann Vertrauen fördern. Und das ist gerade in Krisenzeiten wie heute besonders wichtig.