Arzneimittel-Sparkonzept fest gezurrt Preisstopp schmerzhaft für Pharmaindustrie

Berlin (RPO). Dieses Sparpaket ist für die Pharmabranche besonders schwer zu schlucken: Mit Zwangsrabatten, einem Preisstopp und verpflichtenden Preisverhandlungen will die schwarz-gelbe Koalition die wachsenden Arzneimittelkosten in den Griff bekommen. Bisher konnte die Arzneimittelbranche über diese Punkte noch autark entscheiden. Spätestens Anfang 2011 soll das Paket in Kraft treten.

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Foto: ABDA

Die Eckpunkte des Gesetzentwurfs, die Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) am Freitag gemeinsam mit Fachpolitikern der Koalitionsfraktionen vorstellte, soll die Machtstellung der Pharmaindustrie aufbrechen.

Durch das Sparpaket versprechen sich Union und FDP jährliche Einsparungen in Milliardenhöhe. Die Krankenkassen lobten die Pläne als "gutes Paket". Kritik kam aus der Opposition - und natürlich aus der Pharmaindustrie. Die Arzneimittelpreise steigen seit Jahren und gelten als Kostentreiber im Gesundheitssystem.

Bislang darf die Industrie die Preise für neue, innovative Medikamente willkürlich selbst festlegen - die Krankenkassen müssen zahlen. Das will die Koalition nun eindämmen. Die Pharmafirmen können ihre innovativen Arzneien demnach zwar im ersten Jahr der Markteinführung zum geforderten Preis vermarkten.

Die Hersteller werden jedoch verpflichtet, zur Markteinführung ein Dossier zu Kosten und Nutzen des Präparates vorzulegen. Dies wird von unabhängiger Stelle geprüft. Das Dossier dient als Grundlage für anschließende Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Kassenseite. Die Pharmafirmen sollen per Gesetz zu solchen Verhandlungen gezwungen werden.

Einsparungen von 1,8 Milliarden Euro

Können sich beide Seiten innerhalb eines Jahres nicht auf einen Preis einigen, wird eine Schiedsstelle eingeschaltet, die den Preis spätestens nach drei Monaten festsetzt. Die Pharmafirmen können den Preis also maximal 15 Monate selbst bestimmen. Durch die zwingenden Preisverhandlungen hofft die Koalition auf jährliche Einsparungen von 1,8 Milliarden Euro.

Kurzfristig wollen Union und FDP die Hersteller zu höheren Rabatten gegenüber den Versicherern verpflichten. Der Abschlag soll von derzeit 6 auf 16 Prozent steigen. Das soll Einsparungen von 1,15 Milliarden Euro pro Jahr bringen. Außerdem sollen die Arzneimittelpreise bis Ende 2013 auf dem Niveau von August 2009 eingefroren werden. Damit könnten laut Rösler 300 Millionen Euro jährlich eingespart werden.

Union und FDP wollen den Gesetzentwurf so schnell wie möglich auf den Weg bringen. Spätestens Anfang 2011 soll das Paket in Kraft treten. Rösler sprach von einer "deutlichen Neuordnung auf dem deutschen Arzneimittelsektor". Durch die geplanten Änderungen könne die Pharmaindustrie die Preise "nicht mehr einseitig bestimmen". Neue Medikamente stünden den Versicherten weiter zur Verfügung, blieben aber bezahlbar.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Jens Spahn (CDU) bezeichnete das Vorhaben als "revolutionäre" und "fast historische" Entscheidung. Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) wertete die Einigung als Zeichen der Handlungsfähigkeit von Schwarz-Gelb. Gerade in der Gesundheitspolitik hatte sich die Koalition in den vergangenen Wochen und Monaten durch heftigen Streit hervorgetan.

"Gift für den Innovationsstandort Deutschland"

Der GKV-Spitzenverband lobte das Konzept als "gutes Paket". Verbandschefin Doris Pfeiffer sagte: "Es ist gut, dass die Bundesregierung die zu hohen Arzneimittelkosten entschlossen angeht." Der größte gesetzliche Versicherer, die Barmer GEK, bezeichnete das Vorhaben als "richtig". Kassenchefin Birgit Fischer mahnte jedoch, das Konzept springe zu kurz. Schließlich gebe es für 2010 keine Einsparungen.

Scharfe Kritik kam aus der Opposition. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, sprach von einem "faulen Kompromiss". Im ersten Jahr der Markteinführung könnten die Pharmafirmen die Preise weiter diktieren und in dieser Zeit besonders anheben - nur um später in den Verhandlungen Abschläge zu gewähren. Auch die Linke-Gesundheitspolitikerin Katrin Vogler rügte, "ein ganzes Jahr Freiflug" für die Pharmaindustrie sei zu viel.

Pharmavertretern gehen die Pläne dagegen zu weit. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) kritisierte, Zwangsrabatte seien "Gift für den Innovationsstandort Deutschland".

(DDP/nbe)
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