Porträt der Bundesinnenministerin Wer ist Nancy Faeser?

Berlin · Als sie ihr Amt im Bundesinnenministerium übernahm, war Nancy Faeser außerhalb Hessens kaum bekannt. Jetzt will sie aus dem Amt heraus Ministerpräsidentin in ihrem Heimatland werden. Über eine als pragmatisch und bodenständig geltende Politikerin, die im ersten Ampel-Jahr schon mehrfach für Debatten sorgte.

 Nancy Faeser: Bundesinnenministerin und hessische SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Herbst. (Archiv)

Nancy Faeser: Bundesinnenministerin und hessische SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Herbst. (Archiv)

Foto: AP/Michael Sohn

Was es heißt, in ein jahrelang von der Union dominiertes Umfeld zu kommen, hat Nancy Faeser bereits mit ihrem letzten Jobwechsel erfahren. Als sie im Dezember 2021 als Bundesinnenministerin vereidigt wurde, übernahm sie als erste Frau eine Mammutbehörde, zu deren Geschäftsbereich mehr als 80.000 Beschäftigte gehören. Nach 16 Jahren, in denen Bundesinnenminister von CDU und CSU das Sagen hatten. Jetzt will sie die erste Frau werden, die in Hessen die Macht übernimmt. Nach 24 Amtsjahren von CDU-Ministerpräsidenten.

Den erst vor gut einem Jahr übernommenen Kabinettsposten will sie aber nur aufgeben, wenn sie wirklich Ministerpräsidentin Hessens wird. Klappt es nicht, will sie weiter für die Innenpolitik der Ampel-Bundesregierung zuständig bleiben. Eine Strategie, die der 52-Jährigen bereits scharfe Kritik von Union und Grünen eingebracht hat. Doch Faeser gilt als eine, die weiß, was sie will. Eine, die Druck aushalten kann. Das war anfangs auch nötig, als sie in das Innenministerium kam, wo Sozialdemokraten nicht gut vernetzt waren. Das Haus galt als schwierig zu leiten, Faeser musste sich durchsetzen, sich Respekt verschaffen. Erst recht, weil sie zuvor in der Bundespolitik weitgehend unbekannt war.

Doch trotz der erst kurzen Amtszeit stieß Faeser immer wieder Debatten an, machte mit umstrittenen Vorhaben auf sich aufmerksam und stand nicht nur wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs, der eine Fluchtwelle nach Deutschland ausgelöst hat, ständig im Scheinwerferlicht der Aufmerksamkeit. Im November verfolgte sie das Auftaktspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer im Stadion mit einer “One Love„-Armbinde als Zeichen für die Menschenrechte – was auf Empörung beim Gastgeber Katar stieß. Die Reichsbürgerrazzia Anfang Dezember war ein weiteres Großthema im Zuständigkeitsbereich der Ministerin. Klare Worte fand sie nach den Silvesterkrawallen in Berlin: Hier verwies Faeser auf ein „großes Problem mit bestimmten jungen Männern mit Migrationshintergrund“. Immer wieder geriet sie wegen ihrer Initiativen mit dem Koalitionspartner FDP aneinander: Sie sprach sich für eine Verschärfung des Waffenrechts aus, was die Liberalen in der Form ablehnten, und für die Speicherung von IP-Adressen abweichend zu den Plänen von Bundesjustizminister Marco Buschmann. Wirbel gab es auch um ihre Personalentscheidung, als sie nach einem kritischen ZDF-Bericht den Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, absägte.

Faeser gilt als pragmatisch, als bodenständig – und heimatverbunden. Sie kam am 13. Juli 1970 in Bad Soden im Taunus zur Welt. Die Wurzeln ihrer sozialdemokratisch geprägten Familie liegen allerdings im Ruhrgebiet. Ihr Vater Horst Faeser war Kommunalbeamter. Er zog mit der Familie nach Schwalbach und schaffte es dort bis zum Bürgermeister. Seine Tochter Nancy trat mit 18 Jahren auch in die SPD ein.

Faeser lebt bis heute in Schwalbach. Mit ihrem Mann, ebenfalls Jurist und in der Kommunalpolitik für die SPD aktiv, hat sie einen Sohn. Faeser studierte nach dem Abitur Jura in Frankfurt am Main, machte dort das Zweite Staatsexamen und verfolgte nach ihrem Studium und einem Auslandsaufenthalt in Kalifornien zunächst eine Karriere als Juristin. Sie heuerte bei namhaften Anwaltsfirmen an, beispielsweise bei der international bekannten Wirtschaftskanzlei Clifford Chance in Frankfurt am Main.

Gleichzeitig war sie in der SPD aktiv, wurde zunehmend bekannter, galt schließlich als Nachwuchshoffnung. Im Frühjahr 2003 zog sie erstmals in den hessischen Landtag ein und zeigte dort später als Oppositionsführerin bereits ein gesteigertes Interesse an der Innenpolitik. Als SPD-Obfrau überzeugte sie im hessischen Untersuchungsausschuss zur Terrorserie des rechtsextremen Nationalsozialistischen Untergrunds. Über ihre innenpolitische Arbeit im Land wurde Scholz auf sie aufmerksam und setzte sich bei der Zusammenstellung seines Kabinetts über Regeln des Parteiproporzes hinweg: Mit Faeser für Innen- und Christine Lambrecht für Verteidigungspolitik holte er zwei Hessinnen in die Bundesregierung, während beispielsweise die rheinland-pfälzische SPD leer ausging. Scholz machte bei der Vorstellung der beiden Ministerinnen im Dezember 2021 klar: „Die Sicherheit wird in dieser Regierung in den Händen starker Frauen liegen.“ Übrig geblieben ist nun nur Faeser, nachdem Lambrecht im vergangenen Januar zurückgetreten war. Scholz hat keinerlei Interesse, sein Kabinett nun wieder zeitnah umbauen zu müssen. Zugleich dürfte es ihm reichlich Trost geben, dass dies nur nötig wird, wenn es Nancy Faeser wirklich schaffen sollte: Als erste Frau an der Spitze der hessischen Landesregierung die lange CDU-Ära zu beenden und Schwarz-Grün zu schlagen.

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