Polizeiliche Kriminalstatistik 2022 Nach Corona gab es mehr Verbrechen in Deutschland

Berlin · Die Straftaten in Deutschland sind zuletzt auf mehr als fünf Millionen Fälle angestiegen, wie aus der neuen Polizeilichen Kriminalstatistik hervorgeht. Die Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben die Zahlen stark beeinflusst.

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik stieg die Diebstahlskriminalität im vergangenen Jahr um 20 Prozent.

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik stieg die Diebstahlskriminalität im vergangenen Jahr um 20 Prozent.

Foto: dpa/Andreas Arnold

Die Zahl der Straftaten ist im vergangenen Jahr wieder deutlich gestiegen: Mehr als fünf Millionen Fälle wurden 2022 in Deutschland registriert – 11,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das geht aus der jüngsten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) hervor, die am Donnerstag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin vorgestellt wurde. Der Anstieg der Fallzahlen nach dem Ende der Corona-Beschränkungen kommt der SPD-Politikerin zufolge nicht überraschend. Dennoch: „Wir sehen, in welchen Bereichen wir handeln müssen“, sagte Faeser.

In drei Deliktbereichen war im vergangenen Jahr ein besonders starker Anstieg an Straftaten zu verzeichnen: Die Diebstahlskriminalität stieg um 20 Prozent, Körperverletzungen nahmen um 18 und Raubdelikte sogar um 27 Prozent zu. Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), sprach im Hinblick auf diese Zahlen von einem „Nach-Corona-Effekt“. Die Corona-Maßnahmen hätten das Kriminalitätsgeschehen in den Vorjahren beeinflusst. Der Wegfall der Einschränkungen und die damit einhergehende Rückkehr ins normale öffentliche Leben bedeuteten auch mehr Tatgelegenheiten für Kriminelle.

Doch auch weitere Einflussfaktoren, wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, müssen laut Münch bei der Betrachtung der Zahlen berücksichtigt werden: So dürfte es einen Zusammenhang zwischen den zunehmenden unerlaubten Einreisen und dem Anstieg an strafrechtlich relevanten Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht, das Asyl- und das EU-Freizügigkeitsgesetz um rund 53 Prozent geben. Auch die Zahl der nicht-deutschen Tatverdächtigen stieg um 14,8 Prozent. Münch plädierte deshalb für einen Vergleich mit den Zahlen aus dem Jahr 2019: So gesehen stiegen Straftaten 2022 „nur“ um 3,5 Prozent. „Die 2022 registrierten Fallzahlen liegen in Relation zu denen aus 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, auf vergleichbarem Niveau. Das relativiert den im Vergleich mit 2021 zu konstatierenden starken Anstieg“, sagte der BKA-Präsident.

Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD, l.), Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, und Bundesinnenminsterin Nancy Faeser (SPD) stellten die Kriminalstatistik für das vergangene Jahr vor.

Berliner Innensenatorin Iris Spranger (SPD, l.), Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes, und Bundesinnenminsterin Nancy Faeser (SPD) stellten die Kriminalstatistik für das vergangene Jahr vor.

Foto: dpa/Paul Zinken

So oder so ist eine Zahl jedoch alarmierend: Der Anteil von Minderjährigen an der Zahl der Tatverdächtigen sei überproportional gestiegen. Mit insgesamt rund 93.000 Straftätern bis 14 Jahren wurde nicht nur das Niveau des Vorjahres um 35 Prozent überschritten, sondern auch das von 2019 um 16 Prozent. Münch suchte nach Erklärungen: „Das Risiko von Kinder- und Jugendkriminalität wird durch zusätzliche Faktoren gesteigert.“ Das können wirtschaftliche Aspekte wie Geldknappheit in den Familien als Folge der Inflation, aber auch Gewalterfahrungen und Stressbelastungen sein. „Und da kommen wir wieder zu dem Stichwort Corona-Pandemie.“ Kausalitäten ließen sich anhand der PKS-Zahlen jedoch nicht abbilden.

Gleichzeitig zeigt die Statistik eine weitere besorgniserregende Entwicklung im Zusammenhang mit Minderjährigen: Die Zahl der angezeigten Straftaten im Zusammenhang mit Kinderpornografie ist erneut gestiegen. Im vergangenen Jahr waren es rund 54.000 Fälle – ein Plus von fast acht Prozent. „Es ist entsetzlich, dass tagtäglich Kinder und Jugendliche Opfer von sexualisierter Gewalt werden. Wir tun alles, um die Täter und ihre Netzwerke zu ermitteln und Kinder zu schützen. Das hat höchste Priorität“, sagte die Innenministerin. In Zukunft soll erstmals ein europäisches Instrument geschaffen werden, um Onlineplattformen in die Pflicht zu nehmen. Das Ziel: Missbrauchsdarstellungen entdecken, löschen und die Täter verfolgen. „Mit dem EU-Zentrum gegen Kindesmissbrauch werden wir die Opfer unterstützen und ihnen erstmals das ausdrückliche Recht geben, zu erfahren, ob Missbrauchsabbildungen noch im Umlauf sind“, sagte Faeser. Denn die Würde der Betroffenen werde immer wieder verletzt, solange solche Bilder online seien.

Und auch in der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sind weitere Maßnahmen geplant. Rund 92 Prozent der Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und etwa 80 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind weiblich. Eine „bedrückende, weibliche Perspektive auf innere Sicherheit“, wie die Vorsitzende der Innenministerkonferenz und Innensenatorin von Berlin, Iris Spranger (SPD), sagte. In Niedersachsen und Berlin laufe derzeit eine Pilotphase mit einer speziell entwickelten App. Damit soll Frauen ein niedrigschwelliger Zugang zu Informationen, Hilfsangebote und den Weg aus der Gewalt heraus ermöglicht werden. Gleichzeitig forderte Faeser mehr Präsenz von Sicherheitskräften in öffentlichen Verkehrsmitteln und an kriminalitätsbelasteten Orten sowie mehr Videoüberwachung.

Trotz alledem betonte die Innenministerin: „Wir sind ein starker Rechtsstaat und ein sicheres Land.“ Ein Blick auf die langfristige Entwicklung zeige, dass die Kriminalität vor zehn Jahren mit fast sechs Millionen Straftaten höher gewesen sei.

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