Debatte über Migration Polizeigewerkschaft lehnt stationäre Grenzkontrollen klar ab

Berlin · Die anhaltend hohe Zahl von Zuwanderern nach Deutschland zwingt nun auch die Regierungsspitze dazu, sich in die Migrationsdebatte einzuschalten. Der Kanzler und die Innenministerin schließen eine Ausweitung der stationären Grenzkontrollen nicht mehr aus, die Polizeigewerkschaft hält davon nichts. Und es gibt neuen Krach über die Finanzierung der Flüchtlingskosten.

 Bisher finden an den Grenzen zu Polen und Tschechien nur Kontrollen im Zuge der Schleierfahndung statt. Die Rufe nach Schlagbaum-Kontrollen werden aber lauter.

Bisher finden an den Grenzen zu Polen und Tschechien nur Kontrollen im Zuge der Schleierfahndung statt. Die Rufe nach Schlagbaum-Kontrollen werden aber lauter.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Die Debatte um eine Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland ist nicht erst seit dem Wochenende auf höchster politischer Ebene angekommen, schließlich hatten schon ein früherer und der amtierende Bundespräsident Stellung bezogen. Doch nun schaltet sich auch die Regierungsspitze ein. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mahnte am Samstag effektivere Abschiebungen an und sagte, man werde je nach aktueller Lage „möglicherweise weitere Maßnahmen“ ergreifen müssen. Scholz dürfte damit auf die Rufe nach stationären Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien angespielt haben.

Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die die Ausweitung der stationären Kontrollen bisher ablehnte, schließt diese nicht mehr aus. Zusätzlich zur bestehenden Schleierfahndung könnten stationäre Grenzkontrollen „auch wirksame Maßnahmen sein“, vor allem um härter gegen Schleuser vorzugehen, sagte die SPD-Politikerin am Sonntag in der ARD bei „Anne Will“. Kontrollen über Schleierfahndung seien aber „am wirksamsten“, so Faeser. Zusätzliche grenzpolizeiliche Maßnahmen werden derzeit im Innenministerium geprüft, heißt es.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht sich klar gegen weitere stationäre Grenzkontrollen aus, die es bislang nur in Bayern gibt. Diese seien eine „dauerhafte Belastung“ und „sehr personalintensiv“, sagte die Vizevorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Erika Krause-Schöne, unserer Redaktion. Einen Schlagbaum wie früher wolle man nicht, weil dadurch auch der Waren- und Pendlerverkehr behindert werden würde. Zudem würden Schleuser einfach um die festen Kontrollpunkte herumfahren. Stattdessen wolle die Bundespolizei „agil auf der Grenzlinie“ agieren können.

Um das zu erreichen, fordert die GdP bereits seit Ende Juli eine Notifizierung der Grenze zu Polen und Tschechien durch die EU. Diese würde flexible Kontrollen im Zuge der Schleierfahndung auch direkt auf dem Grenzstreifen ermöglichen. Bislang findet die Schleierfahndung nur in einem Streifen von 30 Kilometern hinter der Grenze statt. Zugleich machte Krause-Schöne aber auch klar, dass durch die polizeilichen Kontrollen das Problem nicht im Kern gelöst werde. „Wir können dadurch nicht die Zahlen der Migration begrenzen. Das ist Augenwischerei, das muss man so klar sagen“, betonte sie. Jede Person, die ein Schutzbegehren vorbringe, müsse aufgenommen werden. Es liege dann in der Zuständigkeit des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die Asylgesuche zu prüfen. Aus Sicht der Gewerkschafterin kann die Migrationspolitik nur auf EU-Ebene vorangebracht werden, unter anderem durch eine Stärkung der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und eine „Vorfilterung“ der Geflüchteten an der EU-Außengrenze. „Es gibt ganz viel auf EU-Ebene zu tun.“

Derweil gibt es neuen Streit über die Finanzierung der Flüchtlingskosten. So soll die Bundesregierung den Ländern am Montag eine deutliche Reduzierung der Hilfen für die Flüchtlingskosten im Jahr 2024 angekündigt haben, wie unsere Redaktion aus Teilnehmerkreisen einer Videoschalte der entsprechenden Bund-Länder-Arbeitsgruppe erfuhr. „Statt 3,75 Milliarden Euro wie im Jahr 2023 will die Bundesregierung die Länder und Kommunen nur noch mit maximal 1,7 Milliarden Euro im Jahr 2024 und somit mit weniger als der Hälfte im Vergleich zum laufenden Jahr unterstützen“, hieß es. Dies sei bei den Ländern „auf großes Unverständnis“ gestoßen. Demnach will der Bund auch das Geld für jene Flüchtlinge, die sich bereits in Deutschland befinden, kürzen, und für die Integration, Beschulung und Betreuung ukrainischer Flüchtlinge komplett streichen. Der Vorschlag sei von den Ländern als „inakzeptabel“ bewertet worden.

Auch der Streit darüber, welche Instrumente zu einer wirksamen Begrenzung der Migration notwendig sind, dauert weiter an. Die Grünen halten zusätzliche Grenzkontrollen und ebenso die Ausgabe von Sachleistungen an Asylbewerber nicht für sinnvolle Maßnahmen. Die Verteilung von Sachleistungen sei rechtlich bereits erlaubt, sie werde aber wegen des damit verbundenen großen Arbeitsaufwands für die Kommunen kaum praktiziert, sagte Co-Parteichef Omid Nouripour am Montag in Berlin. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sprach sich am Wochenende für Abkommen mit den Herkunft- und Transitländern aus. Die Grünen werden nicht nur aus der Opposition, sondern auch vom Koalitionspartner FDP in der Migrationsdebatte scharf kritisiert. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte die Grünen in der Migrationspolitik „ein Sicherheitsrisiko für das Land“ und warf ihnen „realitätsferne Positionen“ vor. Die Union wirbt weiter für einen parteiübergreifenden Schulterschluss zur Migrationsbegrenzung, insbesondere mit der Kanzlerpartei SPD.

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