Streit zwischen Hauptstadt und Ländern Berliner Antidiskriminierungsgesetz bringt Minister in Rage

Erfurt · Wie viel Schutz vor staatlicher Diskriminierung braucht der Bürger? Besser mehr, meint die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin und verabschiedet ein neues Antidiskriminierungsgesetz. Welche Folgen hat das für die Polizei?

 Polizisten begleiten die Teilnehmer der linksradikalen „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ durch Berlin-Friedrichshain. Archivfoto.

Polizisten begleiten die Teilnehmer der linksradikalen „Revolutionären 1. Mai-Demonstration“ durch Berlin-Friedrichshain. Archivfoto.

Foto: dpa/Ralf Hirschberger

Ob große Demonstrationen, wichtige Staatsbesuche oder Fußballspiele: Jedes Jahr helfen Tausende Polizisten aus anderen Bundesländern in der Hauptstadt aus. Die Amtshilfe zwischen den Ländern in solchen Fällen hat eine lange Tradition - doch die wurde von manchen Innenministern der Union wegen des neuen Berliner Antidiskriminierungsgesetzes in Frage gestellt. Nun näherten sich beide Seiten an.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) will seinen Länder-Kollegen seinem Sprecher zufolge eine schriftliche Erklärung zu dem Gesetz geben. Geisel habe bei einem Treffen seinen Ressort-Kollegen von Bund und Ländern die Grundlagen des Gesetzes erläutert, sagte der Sprecher am Rande der Innenministerkonferenz in Erfurt der Deutschen Presse-Agentur. „Auswärtige Polizeikräfte werden nicht in Regress genommen“, so der Sprecher. Das Gesetz gelte nur in Berlin. Falls es zu Klagen kommen sollte, sei das Land Berlin Beklagte und auch gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. „Das wird Berlins Innensenator seinen Länderkollegen auch noch mal schriftlich darlegen“, so der Sprecher.

Eine schriftliche Erklärung hatten zuvor die Unionsminister von Geisel gefordert. „So, wie es jetzt gemacht worden ist, geht’s auf gar keinen Fall“, hatte etwa der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU), der auch Sprecher der Unions-Innenminister ist, gesagt. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) forderte eine verbindliche Erklärung Berlins, „dass das Gesetz auch nur für die Polizeibeamten des Landes Berlin anwendbar ist und nicht für die Polizeibeamten, die wir gelegentlich als Unterstützung aus den Bundesländern und von der Bundespolizei nach Berlin schicken.“ Bundespolizei jedenfalls will er vorerst nicht mehr dort einsetzen. Seehofer kündigte aber an, sich mit Geisel nächste Woche treffen zu wollen.

Das umstrittene Antidiskriminierungsgesetz soll Menschen in der Hauptstadt vor Diskriminierung von Seiten der Behörden schützen. Es soll außerdem Klagen etwa in Fällen erleichtern, in denen sich Menschen von Polizisten diskriminiert sehen. Wenn sie einen Richter überzeugen können, dass eine Diskriminierung wahrscheinlich ist, dann kann der den Staat in die Pflicht nehmen, das zu widerlegen. Manche Minister fürchten nun Nachteile für ihre Beamten.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) etwa sieht einen Berg an Bürokratie auf seine Beamten zurollen. „Ich habe keine Lust, dass meine Polizisten sich rechtfertigen müssen. Das geht nicht“, sagt Reul. „Es ist keine Geldfrage, sondern es ist auch eine Frage, wie mit den Polizisten umgegangen wird.“

Der zweite Punkt dürfte den Kern des Problems umreißen. Die neuen Berliner Regeln betreffen zwar längst nicht nur Polizisten sondern auch Lehrer und viele andere Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in der Hauptstadt. Doch mitten in einer Diskussion über Rassismus in Gesellschaft und Polizei reagiert insbesondere mancher Unionsminister allergisch auf ein Gesetz, bei dem aus seiner Sicht ein Generalverdacht mitschwingt. Auch die SPD-Ressortchefs wollten ihre Unterstützung für die Polizei deutlich machen. „Wir stellen uns entschlossen vor die Polizei, wenn sie pauschal diffamiert wird“, lautete ein zentraler Satz eines Papiers der SPD-Minister zum Thema. Eine gemeinsame Sprachregelung mit der Unionsseite gab es da aber noch nicht.

Gute öffentliche Sicherheit, Fahndungserfolge, Kriminalitätsbekämpfung - wenn die Polizei Erfolge feiert, feiert der zuständige Innenminister mit. Nicht verwunderlich, wenn sich mancher nun öffentlichkeitswirksam über das Berliner Gesetz empört, das vor allem der grüne Berliner Justizsenator Dirk Behrendt vorangetrieben hat.

Die Sprecherin des Antidiskriminierungsverbandes Deutschlands, Céline Barry, hält das Berliner Gesetz hingegen für „sehr, sehr wichtig“. „Wir sehen, dass institutionelle Diskriminierung einen breiten Anteil an der Diskriminierung in unserem Land hat“, sagte Barry, die selbst Antidiskriminierungsberaterin in Berlin ist. Dies könne unter anderem Schulen, Behörden, die Justiz oder die Polizei betreffen.

„Es braucht klare Regeln, wie sich Geschädigte gegen Diskriminierung wehren können“, sagte Barry. Dafür enthalte das Gesetz unter anderem eine Klagemöglichkeit und eine Entschädigungsmöglichkeit für die Betroffenen. Nach Ansicht ihres Verbandes reichen auch Polizei-Beschwerdestellen wie sie beispielsweise in Thüringen, Sachsen oder Hamburg eingerichtet wurden, nicht aus. „Unabhängige Beschwerdestellen können ergänzen, aber sie können das Antidiskriminierungsgesetz nicht ersetzen“, sagte Barry.

Jörg Radek, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), erklärt, Polizisten müssten ohnehin jeden Einsatz dokumentieren und wer sich ungerecht behandelt fühle, könne Beschwerde einlegen oder sogar klagen. „Wozu braucht es da unbedingt noch ein Gesetz?“

(anst/dpa)
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