Maut-Untersuchungsausschuss Zeuge spricht von frühen Bedenken im Justizressort gegen PKW-Maut

Berlin · Die gescheiterte Maut war ein Prestigeprojekt der CSU – trotz Bedenken aus anderen Ressorts. Davon berichtet ein Zeuge im Untersuchungsausschuss.

 Ein Verkehrsschild bei Rostock weist die Autofahrer der Stadtautobahn auf die Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels hin.

Ein Verkehrsschild bei Rostock weist die Autofahrer der Stadtautobahn auf die Mautpflicht für die Passage des Warnowtunnels hin.

Foto: dpa/Jens Büttner

Im Bundesjustizministerium hat es Bedenken an frühen Plänen zur Pkw-Maut gegeben. Ein Referatsleiter des Ressorts sagte am Donnerstag im Maut-Untersuchungsausschuss des Bundestags, er habe in einem „frühen Stadium“ 2014 auf europarechtliche Konsequenzen hingewiesen. Die Hausleitung habe ihm dann aber mitgeteilt, einen Entwurf „laufen zu lassen“. Auch im Bundeskanzleramt hat es Berichten zufolge Zweifel an dem Vorhaben gegeben.

Der Zeuge aus dem Justizministerium war bis Ende 2016 mit dem Thema Pkw-Maut befasst. In der Frühphase seien auch Varianten des Entwurfs angesprochen worden, die eine europarechtliche Konformität gewährleistet hätten. Christian Jung, Obmann der FDP im Ausschuss, sagte dazu: „Alle heute bestehenden Probleme bis hin zu den Schadensersatzforderungen in Höhe von einer halben Milliarde Euro hätten vermieden werden können.“

Ein ehemaliger Referatsleiter aus dem Bundesverkehrsministerium, der zwischen 2015 und 2017 mit der Pkw-Maut befasst war, übte Kritik an internen Abläufen im Ministerium. Fachliche Arbeit sei durch politische Vorgaben behindert worden, sagte er. Stephan Kühn, Obmann der Grünen im Ausschuss, sagte, die Aussage sei ein Beleg dafür, dass im Ministerium „alles dem Erfolg des Prestige-Projekts untergeordnet wurde“.

Wie die Pkw-Maut in Europa gehandhabt wird
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Wie die Pkw-Maut in Europa gehandhabt wird

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte die Pkw-Maut im vergangenen Sommer für europarechtswidrig erklärt – sie sei diskriminierend für Autobesitzer aus anderen EU-Ländern. Das Urteil bezog sich allerdings auf ein leicht geändertes Maut-Modell, für das der damalige Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Ende 2016 noch grünes Licht der EU-Kommission erhalten hatte. Das Vorhaben war auf Drängen der CSU in den schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2013 gekommen.

Auch im Bundeskanzleramt sind einem Medienbericht zufolge jahrelang immer wieder schwere europarechtliche Bedenken gegen die Pläne zur später gescheiterten Pkw-Maut erhoben worden. So heißt es etwa in einem Schreiben vom 22. April 2016, das auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, die Hoffnungen des Verkehrsministeriums, vor dem EuGH „reüssieren zu können, müssen skeptisch beurteilt werden“. Das Verkehrsministerium hatte sich zwar mit der EU-Kommission über die Ausgestaltung der geplanten Maut in Deutschland geeinigt, 2017 aber klagte Österreich vor dem EuGH gegen die deutsche Maut.

Im Zentrum des U-Ausschusses steht, dass das Ministerium unter dem jetzigen Ressortchef Andreas Scheuer (CSU) 2018 Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut geschlossen hatte – bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Die Opposition wirft Scheuer daher schwere Fehler zulasten der Steuerzahler vor.

Die Obleute beschlossen am Donnerstag zudem, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im April als Zeugen zu laden. Ex-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte Mitte Februar als Zeuge im Untersuchungsausschuss die Verantwortung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und des damaligen CSU-Chefs Seehofer betont. Sie hätten „sehenden Auges“ eine „europarechtliche Unmöglichkeit“ bei der Pkw-Maut in den Koalitionsvertrag von 2013 hineinverhandelt.

(c-st/dpa)
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