Nach den Querelen der vergangenen Woche Piraten — jetzt sind Inhalte gefragt

Berlin · Es war eine schwierige Woche für die Piraten: Die Umfragewerte am Boden, der Geschäftsführer in der Kritik. Nun gilt es, wieder inhaltlich auf sich aufmerksam zu machen. Schließlich liegt ein Bundesparteitag und die Niedersachsenwahl vor der Partei. Doch so ganz wollen die Querelen noch nicht verschwinden.

Der neue Vorstand der Piraten
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Alles dreht sich um Johannes Ponader. Nach der Rückzugsankündigung der Vorstandsmitglieder Julia Schramm und Matthias Schrade wurde die Kritik am politischen Geschäftsführer der Piraten lauter. Auch am Montagmorgen und Sonntagabend musste sich Ponader bei Twitter noch Kritik gefallen lassen.

"Bitte gehe in Dich und überdenke Dein Vorgehen. Deine Arbeit ist es nicht unsere Außenwirkung zu atomisieren!", schreibt da etwa ein User in Bezug auf eine Meldung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die Piraten planten im Januar einen Parteitag aufgrund der Personalquerelen. Ponader selbst stellte bei Twitter klar, dass es zwar diskutiert werde, aber nichts geplant sei.

Ein anderer Twitterer wiederum schreibt: "Wozu reiss ich mir eigentlich den Arsch mit Basisarbeit auf, JohannesPonader? Wessen U-Boot bist du eigentlich?" Und der nächste sagt in Bezug auf den Rückzug von Schrade: "Der weiß wenigstens wann er zurücktreten muss...." Der Piratengeschäftsführer allerdings will bleiben, das hat er wiederholt deutlich gemacht — und auch, dass er die Kritik ernst nehme. Und er betont bei Twitter: "Es liegt an uns, ob diese Woche "Wichtig X sagt über Wichtig Y” in der Presse ist oder Wahlkampf der PiratenNDS", also der niedersächsischen Piraten.

Schlömer: Partei hat kein Gesicht

Inhalte statt Personalgezänk, das ist die herausgegebene Devise. Und auf diese setzt auch Parteichef Bernd Schlömer — auch wenn er selbst Kritik an Ponader übte. Die Partei habe kein Gesicht, verzettele sich in umständlichen Basis-Debatten, ohne den Wählern genau zu sagen, wofür sie stehe, erklärte er.

Die Piraten wissen, dass jetzt viel auf dem Spiel steht — insbesondere mit der Landtagswahl in Niedersachsen im Januar. Dort heißt das Ziel, mindestens sechs Prozent zu erreichen und damit in das fünfte Landesparlament einzuziehen. Die Umfragen sahen die Partei im Norden aber zuletzt bei vier Prozent, Emnid für die "Bild am Sonntag" bundesweit bei fünf Prozent. Niedersachsen wird dementsprechend auch von der politischen Konkurrenz als Signal für den Bund gesehen werden.

Umso mehr wird es für die Partei auch auf den Bundesparteitag Ende November in Bochum ankommen. Denn dort will sich die Partei ein Wahlprogramm geben, Personaldebatten sollen möglichst vermieden werden. Denn wohin solche Streitereien führen, haben jetzt nicht nur die Piraten am eigenen Leib zu spüren bekommen, sondern auch die FDP, die sich ebenfalls in den Umfragen im unteren Bereich ansiedelt. Sie erschweren den Blick auf das Wesentliche: die Inhalte.

Genau auf die wird es jetzt ankommen. Die Partei muss in wichtigen Politikfeldern Stellung beziehen, will sie diejenigen wieder — oder weiter — an sich binden, die sich auch aus Enttäuschung von den großen Parteien für die Piraten erwärmen konnten. Die Netzkompetenz allein reicht da nicht mehr. "Die Erwartungen, die sie bei den Wählern geweckt haben, sind extrem hoch", sagt auch Parteienforscher Oskar Niedermayer "Morgenpost Online". "Das muss zu Enttäuschungen führen."

Das lähmende Basis-Demokratie-Prinzip

Enttäuschungen aber gilt es nun zu vermeiden, insbesondere dann, wenn das große Ziel, der Einzug in den Bundestag im kommenden Jahr gelingen soll. Schlömer hat dabei schon ein Hauptproblem benannt: die "umständlichen Basis-Debatten". Denn das Demokratieprinzip der Piraten will es, dass unter allen Mitgliedern die Themen ausführlich diskutiert werden. Doch das ist oft langwierig und kann auch zu Uneinigkeit führen.

Dass die führenden Köpfe unabgesprochen Stellung beziehen, ist dabei nicht gern gesehen. Das bekam im September auch der jetzige Vizeparteichef Sebastian Nerz zu spüren, der Kritik auf sich zog wegen Äußerungen in verschiedensten Talkshows und als Parteichef abgewählt wurde. Schnelle Reaktionen auf brennende Themen aber sind so oftmals nicht möglich. Genau das erwartet aber der Wähler — und es wird eine der Fragen sein müssen, mit denen sich die Partei in naher Zukunft beschäftigt.

Sich als ernstzunehmende politische Kraft zu zeigen, dass können die Piraten aber nicht nur in Niedersachsen, sondern auch in Berlin beweisen. Denn dort steht ihr Mitglied Martin Delius an der Spitze des Untersuchungsausschusses zum Hauptstadtflughafen BER. Und die dortige Pannenserie interessiert bereits die ganze Republik. Umso mehr haben die Piraten so die Möglichkeit, auch bundespolitisch auf sich aufmerksam zu machen.

mit Agenturmaterial

(das)
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