Treffen der Spaß-Demokraten im Rathaus von Reykjavik Piraten besuchen isländischen Spaßpartei-Chef

Reykjavik (RPO). "Eure Kritiker werden angreifen, und sie werden hart angreifen", sagt eine sanfte Männerstimme, die plötzlich in ein lautes Lachen umschlägt. Es gehört dem Bürgermeister von Reykjavik, Jón Gnarr, der am Dienstag in seinem Amtssitz Besuch aus Deutschland empfängt - eine vierköpfige Delegation der Berliner Piratenpartei.

Gnarr ist gleichzeitig Chef der Spaßpartei "Beste Partei", die bei den Kommunalwahlen 2010 fast 35 Prozent der Wählerstimmen erhielt. Seitdem regiert der Komiker die isländische Hauptstadt.

Die Piraten-Delegation - bestehend aus dem parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer Martin Delius, den Abgeordneten Christopher Lauer und Alexander Morlang sowie dem Bezirksverordneten von Tempelhof-Schöneberg, Michael Ickes - ist nach Island gekommen, um Erfahrungen auszutauschen und Kontakte zu knüpfen.

Zwischen Piratenpartei und "Bester Partei" gibt es viele Gemeinsamkeiten, darüber sind sich im gut gefüllten Büro des Bürgermeisters alle einig.

Wähler suchen Alternative zur etablierter Politik

"Auch uns hat vor dem Wahlerfolg in Berlin niemand ernst genommen und es gab viele bürokratische Komplikationen", klagt Lauer. "Komplikationen sind eine besonders fortgeschrittene Form der Anfeindung", pflichtet ihm Gnarr bei und fügt hinzu: "Ich werde euch zeigen, wie man in einer feindlichen Umgebung wie der Politik überlebt". Wie so oft ist unklar, ob der Komiker es ernst meint oder gerade scherzt.

Es ist ein seltsames Treffen, das hier im Reykjaviker Rathaus stattfindet. Die Anwesenden sind allesamt Demokraten, die vom Wähler gerade deswegen ein Mandat erhielten, weil sie so ziemlich das Gegenteil der etablierten politischen Kultur darstellen. Sie machen sich sogar über traditionelle Politik lustig. Gnarr etwa hatte im Wahlkampf kostenlose Badehandtücher in Schwimmbädern oder ein drogenfreies Parlament versprochen.

Offenkundig hatten viele Isländer - in Reykjavik leben knapp 40 Prozent der rund 320.000 Einwohner zählenden Inselbevölkerung - nach dem großen Finanzcrash von 2008 genug vom bestehenden System. Und auch der Wahlerfolg der Berliner Piratenpartei sowie die guten Umfragewerte auf Bundesebene zeigen, dass die Deutschen nach einer politischen Alternative suchen. Die Folgen sind derzeit noch nicht absehbar.

Regentschaft des Komikers in Reykjavik

"Es wird die Politik ehrlicher machen", findet Piraten-Fraktionsgeschäftsführer Delius. Der junge Mann mit Brille und Zopf will sich weder für die Politik noch für die Medien verbiegen. "Wenn wir keine Antworten für Probleme haben, dann geben wir es im Gegensatz zu anderen Parteien auch zu."

Zumindest Reykjavik hat die Regentschaft des Komikers zur wohl humorvolleren Hauptstadt der Welt gemacht. "Bleiben Sie lange und geben Sie viel Geld aus, das ist gut für die Wirtschaft", heißt es im offiziellen Grußwort des Bürgermeisters an Touristen und Geschäftsleute in einer englischsprachigen Zeitung. Zum Schluss hat er noch einen wichtigen Ratschlag für den Besuch aus Berlin: "Verliert nie euren Humor."

(DAPD)
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