Daniel Bahr im Interview "PID nur bei schwerer Erbkrankheit"

Einige Bundesländer, die Kirchen und der Ethikrat kritisieren die Verordnung zur Präimplantationsdiagnostik (PID). Ihrer Ansicht nach hat der Gesundheitsminister das Gesetz für die Embryonen-Tests bei künstlicher Befruchtung zu weit ausgelegt.

Was es mit der PID auf sich hat
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Foto: dapd

Ihre Kritiker mahnen, dass die Verordnung zur PID mehr Eingriffe provoziert, als das Gesetz eigentlich vorsieht. Kann das passieren?

Bahr Nein. Eine PID kommt überhaupt nur für wenige Paare infrage. Das sind Paare, die häufig in einer ganz schwierigen Situation sind. Sie haben schon viele Versuche hinter sich, ein Kind zu bekommen, oft auch Totgeburten. Sie wissen, dass ihr Risiko sehr groß ist, ein Kind mit schweren Erbkrankheiten zur Welt zu bringen. Viele sind bereit, mehrere hundert oder gar tausend Kilometer zu reisen, um den Kindeswunsch zu erfüllen. Diesen Paaren soll in engen gesetzlichen Grenzen geholfen werden.

Mit wie vielen PID-Behandlungen rechnen Sie pro Jahr?

Bahr Die Experten gehen davon aus, dass es etwa 200 bis 300 Fälle sein könnten, in denen im Rahmen des Gesetzes ein künstlich gezeugter Embryo auf schwere Erbkrankheiten untersucht wird, bevor er der Mutter eingepflanzt wird. Eine Ethikkommission muss über jeden einzelnen Fall entscheiden.

Warum wenden sich die Länder dann gegen IOhre Verordnung?

Bahr Ich habe Einwände aus sechs von 16 Ländern gehört. Wo die Mehrheit im Bundesrat steht, wird sich zeigen. Vielmehr fällt auf, dass diejenigen, die das Gesetz zur PID nie in dieser Form wollten, nun versuchen, meine Verordnung zu konterkarieren.

Ein Vorwurf ist, dass die Zahl der PID-Zentren bundesweit nicht begrenzt wird.

Bahr Die Zahl der Zentren ist sehr wohl begrenzt. Durch die hohen Qualitätsanforderungen wird es nur wenige Zentren geben können. Wir können nur nicht im Gesetz eine Anzahl festlegen. Das hielte ich auch für falsch. Denn die Zahl der Zentren sagt nichts über die Anzahl der PID-Fälle aus.

Bei anderen medizinischen Leistungen ist ein Qualitätskriterium, dass die Eingriffe oft gemacht werden.

Bahr Die hohen Qualitätsanforderungen, die wir stellen, werden dazu führen, dass nur Zentren, die Erfahrung mit der künstlichen Befruchtung und mit den für die Untersuchung angewendeten Methoden haben, infrage kommen.

Die Länder kritisieren zudem, dass die Paare sich die Ethikkommission aussuchen können, von der sie ihren Fall beurteilen lassen. Kann es dadurch zu "Kommissions-Hopping" kommen?

Bahr Das Gesetz sieht ausdrücklich mehr als eine Ethikkommission vor. Die Schaffung dieser Kommissionen liegt in der Hand der Länder. Dafür können sich auch mehrere Länder zusammenschließen. Das Verfahren ist transparent: Die Antrag stellende Frau muss darlegen, wenn sie auch schon bei anderen Kommissionen einen Antrag gestellt hat.

Warum sagt man nicht einfach: Ein Votum zählt?

Bahr Es handelt sich immer um Einzelfallentscheidungen. Zudem kann sich die Lage, in der Menschen sich befinden, ändern, so dass die Fälle damit neu oder anders bewertet werden müssen.

Wird Ihre Verordnung im Bundesrat durchgehen?

Bahr Wir haben die Länder intensiv eingebunden und sehr viele Wünsche berücksichtigt. So können wir den Bundesrat überzeugen. Es gibt auch einzelne Stimmen, denen die Verordnung eher zu eng gefasst ist. Das betrifft beispielsweise die Zusammensetzung der Ethikkommissionen, die auch einen Behindertenvertreter vorsieht.

Können Sie die Furcht Ihrer Kritiker nachvollziehen, dass sich eine Stimmung breitmacht, wonach man behinderte Kinder verhindern kann und soll?

Bahr Bei der PID geht es nicht um Behinderung, sondern es geht um Fälle, in denen Kinder bereits im Mutterleib sterben oder schwerstkrank zur Welt kommen. Da empfehle ich einen Besuch im Kinderhospiz, wo man diese Fälle mit schwerer Erbkrankheit findet.

Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung werden im Jahr 2030 voraussichtlich rund 500 000 Pflegekräfte in Deutschland fehlen. Ist das eine realistische Prognose?

Bahr Solche Prognosen zeigen den Handlungsbedarf. Die Umschulung für den Pflegeberuf muss vor allem attraktiver werden. Ich bin zufrieden, dass uns eine Einigung gelungen ist und das dritte Ausbildungsjahr für Pflegeumschüler künftig wieder von der Arbeitsagentur bezahlt wird. Zusätzlich müssen wir die Pflegeberufe zu einem Ausbildungsgang zusammenführen.

Warum wurde die Umschulung nicht auf zwei Jahre begrenzt.

Bahr Bei der Qualität der Ausbildung dürfen wir keine Abstriche machen. Eine generelle Absenkung der Umschulung auf zwei Jahre wäre ein Qualitätsverlust. Nur in Einzelfällen sollte eine Verkürzung bei entsprechender Vorqualifikation möglich sein. Und wir werden auch für Pflege in Zukunft mehr Zuwanderung brauchen.

Dennoch ist die Prognose der Bertelsmann-Stiftung düster.

Bahr Der wachsende Bedarf an Pflegekräften ist auch eine positive Nachricht für alle jungen Menschen, die einen krisenfesten Job wünschen.

Eva Quadbeck führte das Interview.

(qua)
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