Rekord-Chef der Jungen Union Philipp Mißfelder — als nächstes Minister?

Rostock · Philipp Mißfelder ist zum letzten Mal zum Chef der 122.000 Mitglieder starken Jungen Union wiedergewählt worden. Beim nächsten Mal ist er zu alt. Was kommt für den 33-jährigen Blitzkarriere-Christdemokraten dann?

Philipp Mißfelder – langjähriger Vorsitzender der Jungen Union
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Wann wird er Minister? Wann Kanzler?

Sechsundachtzigkommafünfvier. So viel Prozent hat Philipp Mißfelder für einen besonderen Rekord bekommen. Kein anderer in der 65jährigen Geschichte der Jugendorganisation von CDU und CSU ist so oft als Junge-Union-Chef wiedergewählt worden.

Der spätere Bundesminister Gerhard Stoltenberg nicht, der jetzige CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nicht, und auch nicht der bisherige Rekordinhaber, der spätere Bundesminister und jetzige Automobil-Präsident Matthias Wissmann. Wissmann brachte es auf zehn Jahre am Stück. Wenn Mißfelder in zwei Jahren abtritt, wird er den Jugendverband zwölf Jahre geprägt haben.

Größte Jugendpartei Europas

Ohne ihn wäre die größte Jugendpartei Europas vielleicht aufmüpfiger. Vielleicht aber auch nicht. Mißfelder hat vor dem Deutschlandtag klar gemacht, dass die Junge Union und die Bundeskanzlerin sich derzeit so nah seien wie selten. Mag sein, dass sich in anderen Parteien die Jungen an den Alten abarbeiten, besonders wenn sich diese als Kanzlerpartei gerieren. Die Jusos fühlten sich immer besonders gut, wenn sie dem SPD-Kanzler größtmögliche Probleme bereiteten. Die Mißfelder-Junge-Unionisten stehen dagegen auf Kanzlerin-Kuschel-Kurs.

Natürlich können sie auch anders. Als CDU und CSU unter Edmund Stoiber 2002 den Machtwechsel vergeigten, bereitete die Junge Union den Verantwortlichen der Mutterparteien ein heißes Fegefeuer. Mit bohrenden Fragen und schrillen Vorwürfen ließen sie Stoiber vor zehn Jahren im eigenen Schweiß baden. Das war die Stimmung, in der Mißfelder neuer Chef wurde.

Bewusst stellte er die Junge Union christlich-konservativ auf. Soll sich die Merkel-CDU auch zu einer sozialliberalen Partei wandeln, die Junge Union bleibt christlich-konservativ. Und zuweilen auch schrill. Rente mit 67? Pah! Die JU stellt sich lieber gleich auf die Rente mit 70 ein. Patriotismus und Heimatliebe, das ist ihr Ding. Und im neuen Grundsatzprogramm erklärt sie den linken Studentenorganisationen den Krieg, fordert die Abschaffung der verfassten Studentenschaften an den deutschen Unis. Das Geld sei in der personellen und technischen Ausstattung der Hochschulen besser angelegt.

Anecken und Empörungswelle

Anecken und eine Empörungswelle auf sich ziehen, auf der sich dann medial bestens in die bundesweite Wahrnehmung surfen lässt, das beherrschte Mißfelder schon, als das Wort "shitstorm" noch nicht erfunden war. Man muss einfach als Mittzwanziger das neue künstliche Hüftgelenk für 85-Jährige in Deutschland in Frage stellen, schon ist man für die Radikalmarktwirtschaftler der Held und für den ganzen Rest der Republik der Buhmann, schafft den Einstieg ins Talkshow-Karrussel und einen Bekanntheitsgrad bei Millionen Menschen. Aber sich selbst auch einen zweifelhaften Ruf.

Philipp "die Hüfte" Mißfelder wäre beinahe nur eine kurze Episode in der deutschen Politik geblieben. Der Entrüstungssturm über soviel soziale Kälte war auch für das Standvermögen eines karrierebewussten Gelsenkircheners zu viel. Schwer beeindruckt nahm er das "H"-Wort nicht mehr in den Mund und machte die verzweifelte Suche nach Wegen zur Wiedererlangung persönlicher Reputation zu einer zukunftsweisenden Strategie.

Es dauerte zwar Jahre, bis die CDU-Senioren nach der Mißfelder-Attacke auf alle Hüftgelenke das Kriegsbeil begruben. Aber mit dem Senioren-Union-Chef Otto Wulff entwickelte er eine vertrauensvolle Partnerschaft. Gemeinsam zogen Wulff und Mißfelder durch die Parteiveranstaltungen und markierten den Anspruch, dass Deutschland nur dann zukunftsfest bleibt, wenn Alte und Junge zusammen stehen.

Bündnis der Unterprivilegierten

Es war ein Bündnis der Unterprivilegierten. Die Jungen sind zu jung für die aktiven Machtpositionen, rücken aber unaufhaltsam nach und tragen stets die Hauptlast des Flächenwahlkampfes. Die Alten sind zu alt für die aktiven Machtpositionen, werden aber immer mehr und bestimmen über die Wahlzettel damit immer mehr, was in diesem Land geht und was nicht.

Die strategische Partnerschaft macht beide bedeutender, als sie alleine sind. Und sie wirkt langfristig in der Partei konsensfördernd. Wo sich die Alten und die Jungen schon im Vorfeld auf Sozialreformen verständigen, hat die Parteichefin schon mal einen potenziellen internen Großkonflikt weniger.

Natürlich vergaß Angela Merkel bei ihrem Auftritt in Rostock deshalb nicht, genau diese Mißfelder-Wulff-Connection noch einmal besonders zu loben. Aber sie hatte etwas viel Wertvolleres für Mißfelder mitgebracht: Ihre Zustimmung zum Rentenkonzept, das Mißfelder mit anderen jungen Politikern aus CDU, CSU und FDP entwickelt hatte, um die Zusatzrente von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen zu verhindern.

Mißfelder für Merkel wichtig

Das hat vordergründig viel mit der Belastung der künftigen Rentenbeitragszahler zu tun, viel mit Anreizen für private Vorsorge auch bei bescheideneren Einkommen. Aber hintergründig geht es natürlich auch um die koalitionsstrategische Ausrichtung der Union. Von der Leyen liebäugelt erkennbar mit einer neuen großen Koalition, wird sich wohl auch nicht dagegen wehren, wenn eine erstarkte SPD lieber mit von der Leyen als mit Merkel regieren will.

Mißfelders Vorstoß gibt Merkel auch den Hebel, von der Leyen erneut Grenzen aufzuzeigen. Mißfelder selbst ist damit erneut wichtiger für Merkel geworden. Wenn sie nicht gewollt hätte, wäre er auch nicht schon vor vier Jahren ins Präsidium der CDU gewählt worden. Der JU-Chef ist gewöhnlich für den erweiterten CDU-Vorstand gesetzt.

Aber in den engeren Führungszirkel zu kommen, das heißt schon was. Und dass es nach der letzten Wahl gleich zwei Junge-Unionisten schafften, für die Regierungsfraktion Fachsprecher zu werden — Jens Spahn für die Gesundheitspolitik, Mißfelder für die Außenpolitik — sagt auch viel über Mißfolgers Erfolge im Tauziehen hinter den Kulissen.

Jugend steht hinter Merkel

Er hat die Jugend loyal hinter Merkel platziert, steht ohne Wenn und Aber zu Schwarz-Gelb und teilt Merkels Wort vom "Hirngespinst Schwarz-Grün". Wie loyal die JU ist, dokumentierte sie nicht nur durch minutenlangen rhythmischen Applaus, sondern auch durch ein ungewöhnliches Signal. Weil zwei Monate vor dem CDU-Bundesparteitag noch kein Landesverband und noch kein anderes Gremium Merkel erneut für die Wiederwahl als CDU-Vorsitzende nominiert hat, fragte Mißfelder den NRW-JU-Landeschef Sven Volmering, was er denn davon halte, wenn die JU demonstrativ die Kanzlerin auf den Schild hebe.

Volmering stimmte zu, schlug das in einer Wortmeldung in Anwesenheit der Kanzlerin spontan vor — und erntete dafür Zustimmung. Und zwar einstimmig. "Danke", sagte Merkel. Und ihre Mundwinkel sagten, wie sehr sie sich geschmeichelt fühlte.

Sie hatte Mißfelder schon vor diesem Akt bescheinigt, dass er einen "tollen Job" mache. Plant sie mit weiteren Jobs für ihn? Wissmann wurde mit 24 Jahren JU-Chef, mit 27 Bundestagsabgeordneter, mit 34 wirtschaftspolitischer Sprecher und mit 44 Minister. Mißfelder ist schneller, wurde mit 23 JU-Chef, mit 26 Bundestagsabgeordneter und mit 30 außenpolitischer Sprecher. Wann wird er also Minister? "Da stehen noch ein paar andere aus Nordrhein-Westfalen in der Schlange", heißt es in der CDU-Führung. Und sicherlich auch der eine oder andere vor Mißfelder.

"Kanzler von Legoland"

Manche erwarten auch noch mehr von ihm. Stoiber etwa zählt ihn zu denen, die in anderthalb, zwei Jahrzehnten das Zeug zum Kanzler haben könnten. "Kanzler von Legoland", spottet Mißfelder selbst darüber, um die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Er registriert natürlich auch die Stimmung innerhalb und außerhalb der Partei, die den Weg "vom Kreißsaal in den Plenarsaal" bei ihm für einfach zu kurz halten.

Einstweilen arbeitet er weiter an dem, was dann zählt, wenn es darauf ankommt. An Netzwerken kreuz und quer durch die Partei. Beim Deutschlandtag lässt er erkennen, wie weit er damit gekommen ist. "Das hast Du mit Volker prima hingekriegt", lobt Mißfelder nicht irgendwelche Delegierte. Er meint den Bundesumweltminister Peter Altmaier und den Unionsfraktionschef Volker Kauder. Mit den Mächtigen der Politik ist Mißfelder längst auf Du und Du. Selbst mit der Chefin. Und das Netzwerk funktioniert auch hier schon bestens.

Sekunden nach seiner Wahl treffen nämlich zwei Glückwunsch-SMS auf seinem Handy ein. Die erste von seiner eigenen Frau. Die zweite von "AM". Das steht für niemand anderen als - Angela Merkel.

(may-)
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