Kommentar zum Petersberger Dialog Klimapolitik ohne Ehrgeiz
Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze fordert beim Petersberger Klimadialog ehrgeizigere Ziele für die EU. Ihre eigenen Ziele erreicht die Bundesregierung derweil nicht.
Union und SPD unterlaufen immer noch die Bedeutung des Klimawandels – in seiner praktischen und in seiner politischen Dimension. Der Klimawandel hat eine ökonomisch und gesellschaftlich ähnlich umwälzende Wirkung wie die Digitalisierung. Auf beiden Feldern agiert die große Koalition schwerfällig und ohne Ehrgeiz.
Nun kann man auf die Idee kommen, dass die Umfragewerte der Grünen aktuell so gut sind, weil sie frisches Personal an der Spitze haben und als Dauer-Oppositionspartei ohnehin nicht umsetzen müssen, was sie fordern. Mit diesen Erklärungen machen es sich die Regierenden aber zu leicht. Die Grünen haben auch deshalb Hochkonjunktur, weil sich in der Bevölkerung der Eindruck festgesetzt hat, dass die große Koalition von der Diesel-Frage bis zur C02-Reduktion in Sachen Klima nicht handlungsfähig ist. Zwar gibt es nun einen passablen Kompromiss zum Kohleausstieg, aber keinen Minister, der diesen beherzt umsetzt. Und auch die Kanzlerin, die einst Umweltministerin war und die freitäglichen Schülerdemos gefällig kommentierte, hält bei der Klimafrage die Zügel viel zu locker in der Hand. Wegen dieser ambitionslosen Politik erreicht Deutschland die selbstgesteckten Ziele zur Reduktion des CO2-Ausstoßes nicht.
Ähnlich wie bei der Digitalisierung duckt sich die Politik hinter das Argument, man brauche Evolution statt Revolution, um die brummende Wirtschaft nicht zu gefährden und die Bürger nicht im Übermaß zu belasten. Das ist ein schwerwiegendes Argument. Wenn man aber auf die bisherige Bilanz der Energiewende blickt, ist festzustellen, dass bislang wenig für einen hohen Preis erreicht wurde, den vor allem die Verbraucher zahlen.
Die Klimapolitik braucht mehr Ehrgeiz und mehr Kreativität. Ohne Preissignale wird es nicht gehen. Sie setzen eine Veränderung im Denken und Handeln in Gang. Bislang war die Energiewende teuer, ohne dass sie wirklich eine effiziente Steuerungswirkung erzielt hätte. Eine CO2-Abgabe beispielsweise muss nicht als plumpe Steuererhöhung daherkommen. Die deutsche Regierung sollte sich das Schweizer Modell einmal näher ansehen. In der Schweiz werden Produkte und Dienstleistungen, die CO2 verursachen mit einer Extra-Abgabe belegt. Am Ende des Jahres bekommen die Bürger Dreiviertel des Geldes zurück – alle erhalten die gleiche Summe. Wer also in einem kleinen Haus wohnt, kaum Flugreisen unternimmt und ein sparsames Auto fährt, steht besser da als der Mitbürger, der viel C02-Ausstoß verantwortet. Dieses Modell ist auch sozial, da Menschen mit einem schmalen Geldbeutel in der Regel ohnehin weniger CO2-Ausstoß verursachen als Wohlhabende.