SPD-Kanzlerkandidat im Wahlkampfmodus Peer Steinbrück entspannt auf Tour in NRW
Saerbeck · Umfragen ignorieren, Kritik abprallen lassen, keinen Alkohol mehr – der SPD-Kanzlerkandidat betont: "Das Rennen ist offen." Und so zeigt sich Peer Steinbrück ganz entspannt bei seiner Wahlkampftour in NRW.
Umfragen ignorieren, Kritik abprallen lassen, keinen Alkohol mehr — der SPD-Kanzlerkandidat betont: "Das Rennen ist offen." Und so zeigt sich Peer Steinbrück ganz entspannt bei seiner Wahlkampftour in NRW.
Für sein Heizkissen im Kanzleramt könne er schon Strom gebrauchen, scherzt Peer Steinbrück. Die Männer im Konferenzraum des Bioenergieparks Saerbeck lachen. Der Bürgermeister der westfälischen Gemeinde hat dem SPD-Kanzlerkandidaten gerade stolz berichtet, wie sich die Kommune selbst mit Strom aus Biomasse, Gülle, Sonne und Windenergie versorgt. Das Stromnetz hat die 7000-Einwohner-Gemeinde vom Energieversorger RWE zurückgekauft, nun vertreibt sie den überschüssigen grünen Strom bundesweit. Eben auch ins Kanzleramt, falls gewünscht.
Steinbrück nimmt den Gedanken gerne auf. Kanzleramt — das ist für den Merkel-Herausforderer trotz aller Umfragen keine Utopie. "Das Rennen ist offen", wiederholt Steinbrück gleich mehrmals an diesem ersten Tag der Sommertour, die ihn von Bonn über Saerbeck bis nach Norderney und Hamburg bringt. "Umfragen sind keine Ergebnisse und erst recht keine Stimmungen."
"Laufen, laufen, laufen"
Steinbrück wirkt entspannt. Die Urlaubswoche mit Frau Gertrud und den Kindern Mitte Juli in seiner Bonner Wahlheimat hat ihm offenbar gut getan. Steinbrück hat abgenommen. Im Wahlkampf will er komplett auf Alkohol verzichten. Wer die Weinliebe des Sozialdemokraten kennt, ahnt, wie schwer ihm das fallen dürfte. Aber er hat es seiner Frau versprochen. Das soll den Druck erhöhen. Und er braucht ja jetzt auch alle Kraft. "Laufen, laufen, laufen" — so umschreibt Steinbrück seinen Auftrag für die restlichen 45 Tage bis zur Wahl.
Die Mobilisierung der eigenen Wählerschaft entscheide, ist Steinbrück sicher. Zehn Millionen Wähler hat die SPD seit 1998 verloren. Die will sie zurückgewinnen, notfalls direkt an der Haustür. Vergangenen Freitag durchkämmte Steinbrück in seinem Wahlkreis Mettmann bei glühender Hitze achtgeschossige Wohnblocks. Mit dem Aufzug fuhr er ganz nach oben. Und ging dann von Klinke zu Klinke bis ins Erdgeschoss. "Keiner hat mir die Tür vor der Nase zugeschlagen", scherzt Steinbrück. Immerhin.
Und die ständigen Pannen in seinem Wahlkampf? Die jüngsten Berichte über missverstandene Äußerungen und Probleme mit Plakaten? "Lies es einfach nicht", habe ihm Altkanzler Gerhard Schröder geraten. Von "öffentlichen Erregungswellen" spricht der SPD-Kanzlerkandidat. Medienschelte gehört bei Steinbrück stets dazu. Seine Äußerungen über die DDR-Sozialisation der Kanzlerin seien überzogen dargestellt worden, er habe keine persönliche Attacke gefahren. Das habe er auch gesagt. Und die negativen Merkel-Wahlplakate? "Harmlos, ein bisschen Ironie." Die Botschaft: Peer Steinbrück ist mit sich im Reinen. Egal, was die Welt da draußen meint. Und auch wenn alle über eine große Koalition spekulieren: "Mit mir nicht."
Dankbarer Termin mit Walter-Borjans
Im Bus mit Journalisten rattert Steinbrück die Themen herunter, die seiner Ansicht nach die Menschen bewegten: Mindestlohn, Mieten, soziale Gerechtigkeit, Steuern. Alles vermeintliche SPD-Themen. Am Morgen hat Steinbrück in Bonn eine Pressekonferenz mit NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) absolviert, bei der beide ihre bekannten Positionen zum Kampf gegen Steuerhinterziehung formulierten. Ein dankbarer Termin. In der Materie kennt er sich aus. Ob er mit solchen Veranstaltungen aber den Vorsprung der Kanzlerin verringern kann, die ihn notorisch ignoriert, ist fraglich.
Am Abend auf der Insel Norderney regnet es. Viele hundert Feriengäste haben den Weg ins Kurhaus gefunden und treffen dort auf Steinbrück. Fragen an den Kanzler-Kandidaten haben sie kaum. Die Menschen wollen wohl lieber ihren Urlaub genießen.