CDU-General Paul Ziemiak im Porträt Polit-Talent, Schwiegersohn-Typ, Opportunist

Düsseldorf · Paul Ziemiak ist ein Freund von Jens Spahn, warb aber für Friedrich Merz. Nun wird der Vorsitzende der Jungen Union CDU-Generalsekretär unter Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Nicht alle finden das gut. Aber der gebürtige Pole hat schon andere Herausforderungen gemeistert. Seine Vita ist geprägt von einem unbändigen Aufstiegswillen.

 Irgendwo zwischen konfliktscheu und diplomatisch: Paul Ziemiak an der Seite von Annegret Kramp-Karrenbauer.

Irgendwo zwischen konfliktscheu und diplomatisch: Paul Ziemiak an der Seite von Annegret Kramp-Karrenbauer.

Foto: dpa/Christian Charisius

Unmut hatte er erwartet, aber die Reaktionen auf seine Nominierung zum Generalsekretär der CDU fallen dann doch heftig aus. Dafür muss der Vorsitzende der Jungen Union, Paul Ziemiak, nur auf die Facebook-Seite seiner Organisation schauen. „Ich schäme mich“, schreibt ein Nutzer. „Diese Wahl ist der Preis dafür, dass AKK Vorsitzende wurde. Schade, dass sich gerade die Junge Union gegen die Zukunft entschieden hat“, kommentiert ein JU-Mann. „Wenn man „Merz in den Rücken fällt, wird man Generalsekretär“, lästert ein anderer. Das Wort „Judas“ fällt. Von Einspruch der Jungen Union gegen die Wahl der Vorsitzenden ist die Rede. Das Ergebnis für den neuen Generalsekretär ist ähnlich bescheiden wie die Reaktionen in der JU. Nur 62 Prozent der Delegierten stimmen für Paul Ziemiak.

Was ist da los? Paul Ziemiak gilt vielen als Wendehals, als Karrieremann und Opportunist, weil er als Erster und prominentester Vertreter des konservativen Lagers ins AKK-Lager gewechselt ist. Viele Delegierte unterstellen ihm, dass er alles genau so geplant hatte und sich deswegen öffentlich mit einer Empfehlung zurückgehalten hatte. Annegret Kramp-Karrenbauer räumte am Samstag ein, dass sie Ziemiak schon vor Wochen ein Angebot gemacht habe. Zunächst hatte der aber abgelehnt. Am Samstagabend, am Rande des Delegiertentreffens, besprachen sich Ziemiak, AKK und NRW-Regierungschef Armin Laschet. Nun sagte Ziemiak zu.

Bei der Vorbesprechung der JU am Donnerstag hatte der 33-Jährige noch betont, er wolle als Nordrhein-Westfale natürlich die Kandidaten aus seinem Landesverband, Jens Spahn und Friedrich Merz, unterstützen. Spahn im ersten, Merz im zweiten Wahlgang. So hatten es alle verstanden. Ziemiak kommt aus Iserlohn. Sauerland. Merz-Land. Auch inhaltlich steht er Merz nahe, mit Spahn ist er befreundet. Ziemiak profilierte sich lange als Merkel-Kritiker, er forderte nach der Bundestagswahl eine Erneuerung der Partei in Regierung und Fraktion, er machte mit seinem Kumpel Carsten Linnemann, Chef der Mitterlstandsvereinigung, im Frühjahr öffentlichen Druck, damit sein anderer Kumpel Spahn ins Kabinett kommt. Die drei hatten schon 2014, bei der Wahl Spahns ins Parteipräsidium, und später 2016 beim Antrag der Jungen Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft auf dem Bundesparteitag in Essen ein Bündnis gegen die Kanzlerin geschmiedet. Mit Erfolg. Noch vor der Landtagswahl in Bayern hatte Ziemiak in einem Interview offen gelassen, ob er Merkel bei einer möglichen Wiederwahl unterstützen werde. Mit anderen Worten. Ziemiaks Erfolg war gespeist von Kritik an der Kanzlerin. Und jetzt wird er der wichtigste Zuarbeiter der neuen CDU-Chefin und Merkel-Favoritin Kramp-Karrenbauer. „Es geht jetzt nicht um gestern oder um einzelne Personen, es geht um die Partei", verteidigte er sich auf dem Parteitag.

Ziemiak wird nun seine eigene Glaubwürdigkeit im Amt erreichen müssen, zeigen, dass er kein Anhängsel der Chefin ist. Dass man ihn nicht unterschätzen sollte, zeigt seine Vita. Am 6. September 1985 als Pawel Ziemiak im polnischen Stettin geboren, fliehen die Ziemiaks drei Jahre später mit rund 130.000 anderen Polen nach Deutschland, um ein besseres Leben zu führen. Ziemiak, der 2015 einer der wortmächtigen Kritiker der Flüchtlingspolitik wurde, war selbst Flüchtling und lebte in den Unterkünften Friedland und Unna. Noch am ersten Tag im Kindergarten spricht der kleine Paul kein Wort Deutsch. Die Eltern, beide Ärzte, arbeiteten sich hoch. Fleißig, ehrgeizig, man will dazugehören. Für den Jungen ist das konservative Internat, auf das ihn die Eltern schicken, das Vehikel. Und die CDU. In interessieren die Netzwerke, die Debatten, die Abende. Nach der Abwahl Helmut Kohls 1998 tritt Ziemiak in die Junge Union ein. Die Karriere nimmt Fahrt auf. Der Aussiedler-Junge ist ein hervorragender Redner. Und ehrgeizig. Er kandidiert für das Kinder- und Jugendparlament, mit 21 Jahren zieht er in den JU-Landesvorstand, mit 26 Jahren wird er Chef des größten Landesverbands.

2014 dann der Schritt auf die große Bühne. Zwei Wochen vor der Wahl eines neuen Bundesvorsitzenden in der Jungen Union, kündigt Ziemiak seine Kandidatur an. Sein Gegner heißt Benedict Pöttering, der Favorit des langjährigen Vorsitzenden Philipp Mißfelder. Der Niedersachse, Sohn des EU-Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering, gilt als politikerfahren, gut vernetzt. Ziemiak, Markenzeichen Kapuzenpulli, kontert mit einer Road-Show. Er fährt monatelang mit seinem Opel durchs Land und lädt sich in den JU-Kreisverbänden selbst ein. Er gewinnt das Rennen schließlich, auch weil sich die Delegierten von ihrem scheidenden Vorsitzenden nicht den Nachfolger aufzwingen lassen wollen und Ziemiak mit seiner persönlichen Aufsteiger-Geschichte punkten kann. Die JU, vom linken Lager als Truppe elitärer Karrieristen mit hochstehendem Hemdkragen oder Perlohringen verschmäht, wählt einen Aussiedler-Jungen an ihre Spitze. Dass gefällt vielen. Dass der Schwiegersohn-Typ („Euer Paul“, heißt seine Kampagne) zugleich eine harte Haltung in der Integrationspolitik an den Tag legt („Wer die Scharia mehr achtet als deutsche Gesetze – da hilft kein Integrationskurs, da hilft Gefängnis.), erleichtert manchem die Wahl. Ziemiak ist nun oben. Er baut sein Netzwerk aus. Arndt Kirchhoff, Chef der milliardenschweren Kirchhoff-Gruppe aus Iserlohn und Präsident des NRW-Unternehmerverbands, hilft ihm. Finanziell und persönlich. Kirchhoff, Honorarkonsul Polens, berät Ziemiak. Die beiden sind bis heute Vertraute. 2017 schafft Ziemiak den Einzug in den Bundestag. Jens Spahn gehört dort rasch zu seinen Verbündeten. Andere Dinge bleiben auf der Strecke. Sein als junger Mann abgebrochenes Jura-Studium, holt er nicht mehr nach. Auch sein zweites Kommunikationsstudium beendet er nicht. Manch ein Kritiker sieht darin Anzeichen eines typischen Polit-Zöglings, der die harte Arbeit meidet. In seinem Umfeld wird darauf verwiesen, dass Paul Ziemiaks früh verstorbene Mutter, um die er sich bis zuletzt kümmerte, ein Grund für das schlechte Abschneiden am Prüfungstag war. Wenige Tage zuvor hatte Ziemiak die Beerdigung organisiert.

CDU: Annegret Kramp-Karrenbauer beim CDU-Parteitag
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Annegret Kramp-Karrenbauer beim CDU-Parteitag

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Foto: AP/Markus Schreiber

Die Episode zeigt: Bis heute begegnen ihm viele in der CDU argwöhnisch. Ziemiak fordert Klartext in der Sprache, eine Profilierung der CDU, aber auch er selbst ging in seiner Kritik an der Kanzlerin nur soweit, wie sie es zuließ. Die Karriere will er sich nicht verbauen. Dazu gehört auch das gute Verhältnis zu Kramp-Karrenbauer. Auf dem Deutschlandtag im Oktober, als Ziemiak mit 91 Prozent das beste Ergebnis aller Zeiten für einen JU-Vorsitzenden erzielt, wird auch Kramp-Karrenbauer umjubelt. Als sie Generalsekretärin wurde, nannte Ziemiak dies in der Vorstandssitzung eine „kluge Entscheidung“ von Angela Merkel. Sein Verhältnis zu seinem eigenen Heimatverband ist ambivalent. Einerseits ist der neue Generalsekretär eng mit dem Chef der Düsseldorfer Staatskanzlei befreundet, Nathanael Liminski. Ziemiak ist Patenonkel von Liminskis jüngstem Kind. Auch Armin Laschet hält viel von Ziemiak. Andere Mitglieder der NRW-CDU sind weniger gut auf ihn zu sprechen. „Opportunist“, sagte kürzlich ein Regierungsmitglied hinter vorgehaltener Hand. Angeblich habe der JU-Chef sich wenige Tage zuvor öffentlich mit einer markigen Position im Richtungsstreit positioniert, um die Position danach in Vier-Augen-Gesprächen mit irritierten Unions-Größen wieder einzusammeln. Ziemiak gilt als konfliktscheu. „Harte Schale, ganz weicher Kern“, heißt es. Wer es wohlwollender formulieren möchte, nennt ihn „diplomatisch“. Ob „diplomatisch“ oder „konfliktscheu“: Beide Eigenschaften passen nicht unbedingt zum üblichen Anforderungsprofil für Generalsekretäre. Paul Ziemiak wird gerade zu Beginn unter scharfer Beobachtung stehen. Doch wer sein Leben kennt, ahnt, dass man den bisher jüngsten Generalsekretär der CDU nicht unterschätzen sollte.

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