Streit um Paragraf 219a Betroffene Ärztinnen kritisieren Groko-Kompromiss zu Abtreibungen

Berlin · Die Ärztin Kristina Hänel und zwei weitere Medizinerinnen haben die Einigung der großen Koalition auf eine Reform des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche scharf kritisiert.

Werbeverbot für Abtreibungen: Ärztinnen kritisieren Kompromiss zu § 219a
Foto: dpa/Silas Stein

"Wir als von Strafverfahren betroffene Ärztinnen sind entsetzt", erklärte Hänel am Mittwochabend in einer gemeinsamen Erklärung mit den Medizinerinnen Natascha Nicklaus und Nora Szász. Bei genauerem Hinsehen erweise sich der als Kompromiss ausgegebene Vorschlag als "Null-Nummer".

So solle der Strafrechtsparagraf 219a inklusive seiner Strafandrohung von zwei Jahren Gefängnis "komplett bestehen" bleiben, schreiben die Ärztinnen. "Die restlichen Vorschläge, die die Situation verbessern sollen, sind flankierende Maßnahmen, die bereits jetzt möglich sind."

Hänel ist die wohl bekannteste deutsche Ärztin, die auf Grundlage von Paragraf 219a zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Auch Nicklaus und Szász mussten sich wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen das Werbeverbot für Abtreibungen vor Gericht verantworten.

"Wir sind empört, dass (...) Frauenrechte so verraten und wir Ärztinnen weiterhin kriminalisiert werden", erklärten die drei Ärztinnen am Mittwochabend. "Informationsrechte sind Menschheitsrechte. Das gilt auch für Frauen."

SPD und Union hatten sich zuvor nach monatelangem Streit über Paragraf 219a auf einen Kompromiss geeinigt. So soll eine rechtliche Neuregelung festlegen, dass und wie Ärzte und Krankenhäuser künftig darüber informieren können, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Werbung dafür soll es aber auch künftig nicht geben. Wie die Regelung genau aussehen soll, blieb zunächst offen.

Derweil unterstützen die Kirchen in Deutschland den von der Bundesregierung vorgelegten Kompromiss zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Die Evangelische Kirche halte es für richtig, dass Frauen sich umfassend über Abtreibungen informieren können, sagte der Bevollmächtigte des Rates der EKD, Martin Dutzmann, unserer Redaktion. Das könne allerdings auch durch eine entsprechende Ergänzung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes erreicht werden, sagte er mit Blick auf den Kompromiss, wonach das Recht zur Information über Ärzte und Einrichtungen, die Abtreibungen vornehmen, gesetzlich mit einer Ergänzung des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch verankert werden soll. Der Leiter des Katholischen Büros Berlin, Karl Jüsten, erklärte, die Entscheidung der großen Koalition sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Lösung. Die genauen gesetzlichen Änderungsvorschläge müssten aber noch abgewartet werden.

(felt/AFP)
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