Antrittsbesuch Papst Benedikt XVI. hatte 50 Minuten Zeit für Kanzlerin Merkel

Castelgandolfo (rpo). Papst Benedikt XVI. hat sich viel Zeit für Kanzlerin Merkel genommen: Ganze 50 Minuten sprach er mit der deutschen Regierungschefin. Es war ein intensive, konstruktive, beeindruckende und sehr gute Unterredung, sagte Merkel. Man habe über Gott, über die Kirche und natürlich über das Weltgeschehen gesprochen.

2006: Kanzlerin Merkel trifft den deutschen Papst
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Foto: AP

Nur in ganz seltenen Fällen öffnen sich die schweren Portale des päpstlichen Sommersitzes von Castelgandolfo für offizielle Besucher. Für US-Präsidenten machte Johannes Paul II. in früheren Jahren schon mal eine Ausnahme. Am Montag empfing Benedikt XVI. während seines Sommeraufenthalts die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Privataudienz. Es war ihr Antrittsbesuch beim Papst - und ihr einziger Termin einer gerade einstündigen Visite in Italien. Aber wenige Tage vor der Bayern-Reise des Papstes, seinem zweiten Deutschland-Besuch nach dem Kölner Weltjugendtag im August 2005, wollte die Bundeskanzlerin dem Kirchenoberhaupt an dessen Sitz ihre Aufwartung machen.

Ungewöhnlich lange nahm sich der Papst für das Privatgespräch Zeit: 50 Minuten, doppelt so lang wie bei Begegnungen mit Staats- und Regierungschefs üblich. Er empfing die Kanzlerin, die einen dunklen Hosenanzug, aber keinen schwarzen Schleier trug, in seiner Privatbibliothek. Es war ein intensive, konstruktive, beeindruckende und sehr gute Unterredung, betonte Merkel anschließend vor Journalisten. Man habe über Gott, über die Kirche und natürlich über das Weltgeschehen gesprochen. Die Atmosphäre sei herzlich gewesen, der Papst gelöst, hieß es.

Erstes Hauptthema war die aktuelle Weltlage mit dem Schwerpunkt Nahost: Libanon, das Heilige Land, aber auch die Haltung der Weltgemeinschaft gegenüber den Iran. Dabei ging es auch um Religionsfreiheit. Dann habe man über Europa gesprochen. Sie habe deutlich bemacht, so Merkel vor der Presse, "dass wir eine europäische Identität in Form eines Verfassungsvertrages brauchen. Und darin sollte der Bezug auf das Christentum und auf Gott ein sehr wesentlicher Teil sein" - denn das Christentum habe die europäische Geschichte wesentlich geprägt. Fragen der deutschen Innenpolitik klangen dem Vernehmen nach nicht an, auch nicht etwa die neue Diskussion um die Ausrichtung der C-Parteien. Allerdings werde die CDU den Austausch mit dem Papst weiter pflegen, fügte sie hinzu.

Vieles ist anders als im Vatikan bei einem Politiker-Besuch in Castelgandolfo. Nur wenige Schaulustige fanden sich auf dem Marktplatz der Kleinstadt oberhalb des Albaner Sees ein. Die Sicherheitsbeamten waren eindeutig in der Überzahl. Im von der italienischen Regierung gestellten dunklen Maserati mit deutscher Flagge fuhr die Kanzlerin sofort in den Innenhof des Papst-Palastes. Zwei Schweizergardisten mit Hellebarde salutierten; im Innenhof war ein eigenes Ehrenpikett postiert. Von dort wurde Merkel mit ihrem nur zehn Personen starken Gefolge sofort ins Obergeschoss geleitet.

Nach dem Gespräch unter vier Augen konnte auch die übrige Delegation den Papst begrüßen; Geschenke wurden ausgetauscht. Die Kanzlerin überreichte dem musikbegeisterten Kirchenoberhaupt eine historische Mozart-Partitur, worüber er sich sehr freute. Benedikt XVI. revanchierte sich mit Pontifikatsmedaillen und Rosenkränzen.

Unterdessen hatte das Polizeiaufgebot auf der Piazza von Castelgandolfo doch noch eine Gruppe Schaulustiger angezogen. Deutsche Touristen applaudierten, als die Kanzlerin aus dem hellen Papstpalast heraustrat und ein kurzes Statement abgab. Doch schon drei Minuten später ging es zurück zum römischen Flughafen Ciampino. Das nächste Mal wird Merkel den Papst in knapp zwei Wochen in München treffen und den Meinungsaustausch fortsetzen. Doch dann stehen der Bundespräsident und der bayerische Ministerpräsident wohl stärker im Vordergrund.

(afp2)
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