Berlin Paketbomber wollten die Kanzlerin treffen

(RP). Gegen 13 Uhr traf das verdächtige Paket in der Berliner Regierungszentrale ein – und fiel sofort im ausgeklügelten Sicherheitssystem des Kanzleramtes auf. Spezialisten zerstörten den Sprengsatz mit Beschuss durch einen scharfen Wasserstrahl. Das Kanzleramt ist nicht zum ersten Mal Ziel von Anschlägen und Trittbrettfahrern und hat sich entsprechend gerüstet.

Bombenalarm im Kanzleramt
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(RP). Gegen 13 Uhr traf das verdächtige Paket in der Berliner Regierungszentrale ein — und fiel sofort im ausgeklügelten Sicherheitssystem des Kanzleramtes auf. Spezialisten zerstörten den Sprengsatz mit Beschuss durch einen scharfen Wasserstrahl. Das Kanzleramt ist nicht zum ersten Mal Ziel von Anschlägen und Trittbrettfahrern und hat sich entsprechend gerüstet.

Als Angela Merkel vom mittäglichen Kurzbesuch in Belgien gestern Abend wieder im Kanzleramt eintraf, lief dort nach Angaben von Mitarbeitern bereits seit Stunden wieder der ganz gewöhnliche Routine-Betrieb einer Regierungszentrale. Gegenüber der Öffentlichkeit war die Regierung bemüht, die ungewöhnlichen Vorgänge herunterzuspielen.

Tatsächlich hatte sich bei vielen der 450 Kanzleramtsbeschäftigten am Nachmittag der Pulsschlag jedoch deutlich erhöht, nachdem bekannt geworden war: Das Päckchen, das um 13 Uhr vom Kurierdienst UPS in die Poststelle eingeliefert worden war, enthielt eine Bombe. Sie hätte jeden verletzen können, besonders in der Leitungs-Etage. Denn sie war an die Kanzlerin persönlich gerichtet.

Weil mit solchen Attacken immer gerechnet werden muss, sind die Mitarbeiter der Postverteilungsstelle im Bundeskanzleramt besonders geschützt. Ihrem eigentlichen Arbeitsbereich ist ein separater, abgeschlossener Raum vorgeschaltet, in dem jede eingehende Sendung sowohl von außen optisch begutachtet als auch technisch auf ihr Inneres durchleuchtet wird. Genau an dieser Stelle fiel das Paket mit dem griechischen Wirtschaftsministerium als vermeintlichem Absender auch prompt auf.

"Verdächtig" sei es gewesen, weil es bestimmte "Merkmale" aufgewiesen habe, die für normale Paketsendungen untypisch seien, berichtete Regierungssprecher Steffen Seibert am Abend. Die Mitarbeiter alarmierten umgehend die Berliner Polizei, die mit einem Spezialfahrzeug anrückte, wie es im Berliner Hauptbahnhof auch bei herrenlosen verdächtigen Koffern zum Einsatz kommt. Ferngesteuert lässt sich damit der jeweilige Gegenstand via Kamera näher in Augenschein nehmen, und mit einem scharfen Wasserstrahl an Ort und Stelle zerschießen. So geschah es gestern am frühen Nachmittag auch im Kanzleramt. Dabei wurde, wie Seibert betonte, niemand verletzt.

Die Poststelle ist nicht direkt mit dem Hauptbaukörper verbunden, in dem die Kanzlerin ihre Büros hat. Auch die 300 Arbeitszimmer der sechs Abteilungen sind in den beiden Seitenflügeln untergebracht. Dagegen befindet sich die Postverteilstelle weiter Richtung Spree in der Nähe der Einfahrt zur Tiefgarage. Wer die Kanzlerin oder einen ihrer Mitarbeiter besuchen will, muss mehrere Kontrollen durchlaufen. Zunächst wird an der Eingangspforte von Mitarbeitern der Bundespolizei geklärt, ob der Besuch überhaupt angemeldet ist. Danach wird in einem gesonderten Sicherheitsbereich das Handgepäck durchleuchtet und der Besucher auf metallische Gegenstände untersucht. Versehen mit einem speziellen Ausweis wird er dann von Mitarbeitern der gastgebenden Abteilung abgeholt oder von Bundespolizisten an seinen Bestimmungsort geleitet.

Das Kanzleramt ist in der Vergangenheit bereits verschiedentlich Ziel von vermeintlichen Anschlägen geworden. Zuletzt gehörte es im Frühjahr im Zusammenhang mit Beratungen über den Afghanistan-Einsatz zu den Berliner Gebäuden, auf die mutmaßliche Linksextremisten Farbanschläge mit gefüllten Weihnachtskugeln verübten.

Nach den Anschlägen vom 11. September und einer Serie von tödlichen Biowaffenattacken auf Regierungsstellen in den USA war im Herbst 2001 auch im Berliner Kanzleramt "Anthrax-Alarm" ausgelöst worden. Dort hatten Mitarbeiter in einem Paket eine verdächtige pulvrige Substanz entdeckt, die sich am Ende aber als Tat eines Trittbrettfahrers mit harmloser Wirkung herausstellte.

Freilich zeigte eine kritische Nachuntersuchung jener Vorgänge, dass vor neun Jahren die Untersuchungsmethoden offensichtlich noch nicht ausgereift waren. "Die Labors hätten das Problem wahrscheinlich gar nicht bemerkt", zitierte die Ärzte-Zeitung den Anthrax-Experten Wolfgang Beyer von der Universität Hohenheim. Die damals verwendeten Methoden wären nicht in der Lage gewesen, eine positive Probe auch zu erkennen. Der von den Anthrax-Bazillen verursachte Lungen- oder Hautmilzbrand ist zwar nach einer Ansteckung eines Menschen leicht nachzuweisen, auf anderen Proben aber nur sehr schwer zu erkennen. Fünf US-Bürger waren damals durch vergiftete Briefsendungen infiziert und getötet worden.

(RP)
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