Ex-Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff ist tot

Düsseldorf (RPO). Er prägte über Jahrzehnte die Politik der FDP: Otto Graf Lambsdorff ist im Alter von 82 Jahren verstorben. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister und FDP-Ehrenvorsitzende starb bereits am Samstag in Bonn. Bundeskanzlerin Merkel nennt Lambsdorff in einem Kondolenzschreiben einen "herausragenden Liberalen".

Otto Graf Lambsdorff gestorben
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In einer kurzen Erklärung von Lambsdorffs Büro hieß es, dass der Politiker damit "von seinen vielfältigen Leiden erlöst worden". Sein Sohn Nikolaus Graf Lambsdorff erklärte lediglich, sein Vater sei plötzlich und unerwartet gestorben. Bei der FDP war zunächst keine Bestätigung zu erhalten.

Ein Leben für die Politik

Otto Friedrich Wilhelm von der Wenge Graf Lambsdorff, Verfechter preußischer Tugenden aus westfälischem Uradel, wurde am 20. Dezember 1926 in Aachen geboren. Er studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Bonn und Köln. Der Bismarck-Bewunderer steht für die betont marktwirtschaftliche Ausrichtung der FDP seit den späten 70er Jahren.

Lambsdorff trat 1951 der FDP bei. 1971 arbeitete der promovierte Jurist in der Programmkommission der Partei an den Freiburger Thesen mit. 1972 zog er in den Bundestag und den FDP-Parteivorstand ein. Zehn Jahre danach legte er seine Thesen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik vor. Darin forderte er eine drastische Beschneidung der Sozialleistungen und eine "investitionsfreundliche" Strategie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die Thesen gelten als "Scheidungspapier" der sozialliberalen Koalition, die am 17. September 1982 zerbrach.

1977 wurde Lambsdorff zum Bundeswirtschaftsminister unter Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) ernannt. An der Seite von Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) bereitete er in der Konjunktur- und Finanzpolitik mit seinem "Lambsdorff-Papier" die politische "Wende" zur CDU vor, die zum Regierungswechsel 1982 führte.

Unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) blieb Lambsdorff zunächst noch Wirtschaftsminister, geriet aber durch seine Verwicklung in die Flick-Affäre in Bedrängnis. Am 26. Juni 1984 erklärte er seinen Rücktritt. Im Laufe eines spektakulären Verfahrens wurde der Vorwurf der Bestechlichkeit gegen Lambsdorff fallen gelassen, er erhielt 1987 jedoch wegen Steuerhinterziehung eine Geldstrafe von 180.000 Mark (rund 92.000 Euro).

1988 wurde der Mann mit der Silberkrücke, der als Soldat bei einem Tieffliegerangriff das linke Bein verloren hatte, zum neuen FDP-Vorsitzenden gewählt. Er nutzte die Tatsache, dass er nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden war, um seine Ansichten umso deutlicher zu formulieren. Im August 1990 schlossen sich Ost- und West-Liberale als erste der großen Parteien zusammen und wählten Lambsdorff zum ersten Vorsitzenden der gesamtdeutschen FDP. Bei der Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 erreichte die FDP unter seiner Führung elf Prozent der Stimmen.

Der Wirtschaftspolitiker Otto Graf Lambsdorff war 73 Jahre alt, hatte schon Ministerämter und den FDP-Vorsitz hinter sich, als er seinen größten diplomatischen Triumph feierte: Am 14. Juli 2000 unterzeichnete er das letzte noch ausstehende Dokument zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Die Entschädigungsregelung für NS-Zwangsarbeiter einschließlich der komplizierten Regierungsvereinbarung mit den USA und Opferorganisationen zur Rechtssicherheit für deutsche Unternehmen gilt als staatsmännisches Meisterstück. Das Lob für Lambsdorff war international und in Deutschland über alle Parteigrenzen hinweg einhellig. Lambsdorff hatte die Regelung in ungeheurer Zähigkeit im Auftrag von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) innerhalb nur eines Jahres ausgehandelt.

Mitte Mai 2006 gibt Lambsdorff auch sein letztes politisches Amt auf: Sein Nachfolger im Amt des Vorsitzenden der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung wurde der frühere FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt. Der FDP-Ehrenvorsitz bleibt dem "Marktgraf" aber erhalten, der gut ein Vierteljahrhundert die politischen Geschicke Deutschlands mitbestimmt hatte.

Bundeskanzlerin Merkel nennt Lambsdorff "herausragenden Liberalen"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den verstorbenen Otto Graf Lambsdorff als "menschlich wie politisch gleichermaßen herausragenden Liberalen" gewürdigt. In einer Kondolenzmittelung erklärte sie am Sonntag: "Er hat die Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland lange Jahre hindurch ordnungspolitisch geprägt und reiht sich ein in die Reihe der großen Persönlichkeiten unserer sozialen Marktwirtschaft."

Auch jenseits der Tagespolitik habe Lambsdorff "in so sensiblen Fragen wie der deutschen Entschädigung der Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges bleibende Maßstäbe gesetzt. Wir gedenken seiner in Dankbarkeit und fühlen mit seiner Frau und seiner ganzen Familie", schloss die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende.

Leipzig FDP-Schatzmeister und Finanzexperte Hermann-Otto Solms würdigte den verstorbenen FDP-Politiker Otto Graf Lambsdorff als einen, dessen "unbedingte Gradlinigkeit und die teilweise bis zur Schroffheit reichende Ehrlichkeit" ihn immer besonders beeindruckt hätten. Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" sagte Solms: Hinzu kam "die von mir bewunderte enorme Selbstdisziplin", angesichts der aus dem zweiten Weltkrieg resultierenden Beinverletzung Lambsdorffs.

Lambsdorffs Vermächtnis

Für die heutige stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Cornelia Pieper verbindet sich als ostdeutsche Liberale mit Lambsdorff seit 1990 "die menschlich und politisch vorbildliche Anständigkeit" des Partei-Zusammenführens. Gegenüber der "Leipziger Volkszeitung" sagte Pieper: "Graf Lambsdorff war darüber hinaus immer einer, der als Wirtschaftsfachmann dafür kämpfte, dass die bürgerlichen Freiheiten oberste Garantie finden: Es gibt keine wirtschaftliche Freiheit ohne gesellschaftliche Freiheit."

Diese Verbindung, so Pieper, "sollte eine dauerhafte Verpflichtung für alle FDP-Politiker von heute und von morgen sein. Bürgerrechte sind genau so viel wert wie wirtschaftliche Freiheiten", das sei Graf Lambsdorffs Vermächtnis.

(AP/ddp/felt)
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