Linke und Grüne wollen "Whistleblower" vernehmen Opposition: Edward Snowden soll aussagen

Berlin · Trotz der Ablehnung der Bundesregierung wollen Linke und Grüne im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags einen Antrag auf Vernehmung des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden einbringen. Auch CDU-Fraktionschef Volker Kauder übt Kritik.

Die Chronologie des Falles "Edward Snowden"
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Die Chronologie des Falles „Edward Snowden“

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Die Obfrau der Linksfraktion im Ausschuss, Martina Renner, sagte der Online-Ausgabe der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung", der Antrag werde zur Abstimmung gestellt. "Und wenn die Koalition dann nicht zustimmt, werden wir ihn allein beschließen", fügte sie hinzu.

Im Gutachten der Bundesregierung werde das Staatswohl "höher bewertet als der Grundrechtsschutz". Das Staatswohl habe aber keinen Verfassungsrang, sagte Renner. Sie kritisierte außerdem, dass Abgeordnete sich dem Gutachten zufolge strafbar machen könnten, wenn sie mit Snowden sprächen. Eine solche Feststellung sei "abwegig und bizarr".

Nach einer dem Regierungsgutachten beigefügten Expertise von US-Anwälten könnte den Ausschussmitgliedern Strafverfolgung drohen, wenn sie Snowden vernehmen. Es sei in den USA strafbar, wenn Snowden veranlasst werde, geheime Informationen preiszugeben, heißt es darin. Ob Snowden in Deutschland, Russland oder woanders vernommen wird, spielt aus Sicht der US-Juristen dabei keine Rolle. Die US-Justiz sucht den ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter mit einem internationalen Haftbefehl.

Snowden hält sich derzeit an einem geheimen Ort in Russland auf. Moskau hatte ihn im vergangenen Sommer unter der Bedingung aufgenommen, dass er den USA von russischem Territorium aus mit weiteren Enthüllungen keinen Schaden zufügt. Linke und Grüne pochen deshalb weiter auf Snowdens Befragung in Deutschland. Komme die Bundesregierung ihrer Verpflichtung nicht nach, den Zeugen zur Verfügung zu stellen, bleibe der Gang vor das Bundesverfassungsgericht, sagte der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele am Freitag.

Der SPD-Ausschussobmann Christian Flisek sagte, er halte eine Befragung Snowdens vor dem Ausschuss in Berlin nach wie vor für rechtlich möglich. Dagegen äußerte der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) Verständnis für die Haltung der Bundesregierung. Er könne nachvollziehen, dass sie Snowden nicht einreisen lassen wolle, sagte er der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Samstagsausgabe). Sensburg sprach sich für eine Vernehmung per Videokonferenz aus.

Auch CDU-Fraktionschef Volker Kauder verteidigt die Bundesregierung, übt jedoch Kritik an den USA. Auch nach dem Washington-Besuch der Bundeskanzlerin will er die Abhörpraxis der US-Geheimdienste nicht kommentarlos hinnehmen. Zwar müssten Europa und Amerika bei der Bewältigung großer Krisen eng zusammenarbeiten, "dennoch werden wir immer weiter darauf hinweisen, dass Abhören von Freunden nicht geht", sagte Kauder der "Passauer Neuen Presse" (Samstag).

Der Opposition aus Grünen und Linken warf Kauder jedoch vor, das transatlantische Verhältnis auf die NSA-Spähaffäre zu reduzieren. "Das ist aber ziemlich einseitig und kurzsichtig. Eine solche Politik hilft den Interessen Deutschlands nicht", sagte er. Das gelte auch für ihr Bestreben, den US-Geheimdienstenthüller Edward Snowden in Deutschland und nicht etwa in seinem russischen Asyl zu seinen Erkenntnissen zu befragen. "Es geht ihnen nicht um Aufklärung, sondern nur um Snowden und die Symbolik, die mit seiner Einreise nach Deutschland verbunden wäre", kritisierte Kauder

Der Untersuchungsausschuss des Bundestags befasst sich mit den Spionageaktivitäten der USA und Großbritanniens. Das achtköpfige Gremium soll auch die Rolle der Bundesregierung in der Spähaffäre beleuchten, in deren Mittelpunkt der US-Geheimdienst NSA steht. Die Fraktionen kritisierten, dass das Regierungsgutachten bereits am Mittwoch an die Öffentlichkeit gelangt war, kurz vor der Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in die USA.

Dem Ausschuss lag das Gutachten erst am Freitag vor. Darin heißt es, eine Einladung Snowdens nach Berlin würde die außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Bundesrepublik erheblich gefährden. Nicht zuletzt, weil "Snowden in den USA wegen Spionage und Diebstahls von Staatsgeheimnissen angeklagt ist, wäre im Falle einer Gewährung der Aufenthaltszusage sehr wahrscheinlich mit schweren und dauerhaften Belastungen des Verhältnisses zu den Vereinigten Staaten von Amerika zu rechnen."

(AFP dpa)
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