Gabriel: "Dokument des Versagens" Opposition attackiert Sparbeschlüsse der Koalition

Berlin (RPO). Opposition und Sozialverbände haben die milliardenschweren Sparpläne der Bundesregierung als unausgewogen, unsozial und ökonomisch unsinnig gegeißelt. Für die Äußerungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel gab es wieder scharfe Kritik von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, wie er unserer Redaktion gegenüber erklärte.

Sparpaket: Hier wird der Rotstift angesetzt
Infos

Sparpaket: Hier wird der Rotstift angesetzt

Infos
Foto: AFP

Gabriel monierte, Union und FDP schonten ihre Klientel, aber "schröpfen Arbeitslose und Familien. "Wir müssen erleben, dass Arbeitslose quasi die Hälfte des notwendigen Sparbetrags bezahlen müssen", kritisierte der SPD-Chef am Montag in Berlin. Zudem fehlten in den Regierungsbeschlüssen jegliche Anreize für zusätzliche private und kommunale Investitionen.

Gabriel begrüßte zwar die geplante Besteuerung von Akw-Betreibern, doch sei dies angesichts zu erwartender Gewinne bei den von Schwarz-Gelb geplanten längeren Laufzeiten von Atomkraftwerken nichts als "Peanuts". Zudem verkaufe die Regierung hier die Sicherheit der Bevölkerung, wenn sie auch pannenanfällige alte Atomanlagen länger laufen lassen wolle. Gabriel wertete die von der Regierung auf ihrer Sparklausur getroffenen Beschlüsse insgesamt als "ein Dokument des Versagens".

Gröhe: Gabriels Stil "unterste Schublade"

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat Gabriel wegen seiner Äußerungen zum Sparpaket der Koalition ungewöhnlich scharf angegriffen. "Gabriels Politikstil ist unterste Schublade. Es ist eine Schande, dass der Vorsitzende der SPD derart unqualifiziert rumholzt", sagte Gröhe am Montag gegenüber unserer Redaktion.

Gabriel hatte der Koalition vorgeworfen, die eigene Klientel bei den Sparmaßnahmen zu schonen. "Dies zeigt einmal mehr: Gabriel geht es selbst in einer derart wichtigen Angelegenheit nicht um die Sache, sondern lediglich um die Pflege seines losen Mundwerks", so Gröhe.

Gewerkschaften rufen zu Demos auf

Linke und SPD kündigten am Montag in Berlin öffentlichen Widerstand gegen das Sparpaket an. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnte vor einem Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Die Gewerkschaften riefen zu Demonstrationen am Samstag in Stuttgart, Berlin und anderen Städten auf.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, ihre Partei habe sich dafür ausgesprochen, dass man mit Blick auf die Beschäftigungssicherung einen Kahlschlag im Bereich Arbeitsmarktpolitik nicht akzeptieren werde. Zusammen mit den Gewerkschaften und Sozialverbänden wolle man Widerstand gegen die Kürzungspläne organisieren.

Der Linke-Fraktionschef Gregor Gysi sagte zur "schwarz-gelben Sparorgie": "Die Regierung Merkel/Westerwelle verübt mit ihren Streichvorhaben einen Anschlag auf den sozialen Frieden und die Demokratie im Land." Dagegen könne es nur eines geben: breiten öffentlichen Widerstand. "CDU/CSU und FDP lassen Rentnerinnen und Rentner, Arbeitslose, sozial Benachteiligte und Familien für die Zockerei der Banken und Spekulanten bluten", erklärte Gysi.

Grünen-Chefin Claudia Roth monierte: "Das ist ein Sparprogramm der sozialen Kälte, der ökologischen Zukunftsvergessenheit und der globalen Verantwortungslosigkeit." Die Axt werde bei den Ärmsten angelegt, während große Vermögen und große Einkommen unangetastet davonkämen. "Es ist ein Programm der aktiven Reichtumspflege."

Der Sozialverband VdK Deutschland reagierte ebenfalls mit Unverständnis. VdK-Präsidentin Ulrike Mascher bezeichnete es als "völlig verfehlt, bei denjenigen Bevölkerungsgruppen den Rotstift anzusetzen, die bereits in Armut leben oder von Armut bedroht sind". Die soziale Spaltung in Deutschland werde zunehmen, die Kluft zwischen Arm und Reich weiter wachsen.

Attac kritisierte die geplanten Ausgabenkürzungen im Sozialbereich, bei Hartz-IV-Empfängern und anderen Arbeitslosen ebenfalls als unsozial. Stattdessen forderte das globalisierungskritische Netzwerk eine stärkere Belastung von Vermögen und hohen Einkommen.

Lob vom BGA

Lob bekam die Regierung dagegen vom Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) und dem Deutschen Städte - und Gemeindebund (DStGB). BGA-Präsident Anton Börner sagte: "Das geplante Sparpaket ist ein entschlossener Schritt, den aufgeblähten Staat wieder auf finanzierbare Pfade zurückzuführen." Beim Sparen müsse allem voran bei Bürokratie und Ausgaben angesetzt werden.

DStGB-Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte, bei einer Gesamtverschuldung von 1,7 Billionen Euro von Bund, Ländern und Gemeinden müsse endlich der Weg aus dem Schuldensumpf gefunden werden. "Das geht nicht ohne Einschnitte auch im Sozialbereich."

Der Chef der Euro-Staaten Jean-Claude Juncker begrüßte das Sparpaket ebenfalls. Er sei "sehr dafür", dass es in Berlin "einen Ruck zur Konsolidierung der Finanzen gibt", sagte Juncker.

Gewerkschaften rufen zum Protest auf

Die Gewerkschaften rufen zum Protest gegen die Sparpläne der Bundesregierung auf. Als Auftakt zu bundesweiten Protesten gegen die "falsche Sparpolitik der Bundesregierung" laden Verdi und DGB in einem breiten Bündnis zu einer Großdemonstration in Stuttgart am 12. Juni ein, wie ver.di am Montag mitteilte. Auf der Kundgebung soll unter anderem ver.di-Chef Frank Bsirske reden.

"Wem zum Sparen nur Familien und Arbeitslose einfallen, hat die rote Karte verdient", sagte Verdi-Landesbezirksleiterin Leni Breymaier. "Die Ärmsten im Land sollen nun die Zeche für die Zockerei der Banken und die falsche Krisenpolitik der Bundesregierung zahlen." Ver.di fordert statt Einsparungen eine Stärkung der Einnahmenseite durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer sowie die stärkere Besteuerung großer Vermögen und reicher Erben.

Paritätische Wohlfahrtsverband: Sparpaket absolut inakzeptabel

Als absolut inakzeptabel kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband das von der Bundesregierung verabschiedete Sparpaket. Der Verband fordert die Rücknahme der arbeitsmarktpolitischen Kürzungen und warnt vor dem Auseinanderbrechen der Gesellschaft. Zur Konsolidierung des Haushalts fordert er vor allem die Beseitigung von Steuerprivilegien wie etwa für Erben und Vermögende.

"Das Sparpaket offenbart, welch Geistes Kind diese Koalition ist. Statt von den Starken zu nehmen um den Schwachen zu helfen, wird skrupellos ausgerechnet bei den Ärmsten gespart", kritisiert Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Spitzenverdiener und Vermögende blieben von den Sparmaßnahmen so gut wie ausgenommen, während insbesondere bei Arbeitslosen und ihren Familien auf unverantwortliche Weise gekürzt werde.

(DDP/felt)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort