Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD Oppermann: "Ich rate Wulff zur Selbstanzeige"

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, spricht im Interview mit unserer Redaktion über die verlorene Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten in der Kredit- und Medienaffäre.

 Thomas Oppermann hält Forderungen nach einem Rücktritt Wulffs nicht für hilfreich.

Thomas Oppermann hält Forderungen nach einem Rücktritt Wulffs nicht für hilfreich.

Foto: ddp

Herr Oppermann, wie erklären Sie sich, dass die Hälfte der Bevölkerung der Meinung ist, dass Bundespräsident Christian Wulff die Gesetze nicht achte, sich aber dennoch eine Mehrheit dafür ausspricht, dass er im Amt bleibt?

Oppermann Es ist ein katastrophaler Befund, wenn die Hälfte der Bevölkerung der Ansicht ist, der Bundespräsident achte die Gesetze nicht. Das Vertrauen in die Integrität des Bundespräsidenten ist eingebrochen. Christian Wulff hat mit seinem Verhalten nicht nur sein Amt beschädigt, sondern das Vertrauen in die ganze politische Klasse. Viele Menschen sehen ihre Vorurteile gegenüber Politikern bestätigt.

Sind Sie der Meinung, dass Wulff zurücktreten muss?

Oppermann Ich halte solche Forderungen nicht für hilfreich. Fest steht, dass der Bundespräsident das höchste Gut des Amtes, seine Glaubwürdigkeit, verloren hat. Und es ist nicht erkennbar, wie er diese Glaubwürdigkeit wieder zurückgewinnen kann. Solange die Vorwürfe im Raum stehen und nicht in einem verbindlichen oder rechtsförmlichen Verfahren geklärt werden, bleibt er beschädigt.

Was kann Wulff in den nächsten Wochen noch auf die Füße fallen?

Oppermann Christian Wulff lässt viele Fragen unbeantwortet: Wollte er kritische Veröffentlichungen nur verschieben oder gar verhindern? Hat er ungerechtfertigte Vorteile angenommen? Hat er gegen das Ministergesetz verstoßen? Christian Wulff trägt in keiner Weise dazu bei, diese Fragen zu klären. Offen ist auch, ob Christian Wulff in Bezug auf die Mitwirkung der niedersächsischen Landesregierung beim "Nord-Süd-Dialog", einer Veranstaltung der Wirtschaft und schwarz-gelber Politiker, die Wahrheit gesagt hat. Ein Problem für ihn wäre, wenn sich herausstellt, dass er entgegen seinen Äußerungen für diese Veranstaltungen Sponsoren in der Wirtschaft angeworben hat.

Wird der Bundespräsident im Amt bleiben?

Oppermann Entscheidend ist nicht die Frage, ob Christian Wulff das Amt behält. Entscheidend ist die Frage, ob das Amt des Bundespräsidenten in Zukunft so ausgeübt werden kann, wie die Verfassung das erfordert. Das setzt voraus, dass der Bundespräsident seine Glaubwürdigkeit wiederherstellt.

Zu allen offenen Fragen verweist Wulff auf das Schreiben seiner Anwälte.

Oppermann Im Schreiben der Anwälte ist nur die Rechtsauffassung von Wulff dargelegt. Aber es gibt kein verbindliches Aufklärungsergebnis. Deshalb rate ich dem Bundespräsidenten zur Selbstanzeige: Er muss das für solche Fälle vorgesehene sogenannte Selbstreinigungsverfahren beim niedersächsischen Staatsgerichtshof wählen.

Das bedeutet?

Oppermann Auch als ehemaliges Regierungsmitglied kann Wulff beim Staatsgerichtshof die Feststellung beantragen, ob er durch sein Verhalten gegen das Ministergesetz verstoßen hat.

Warum sollte er das tun, wenn er sich selbst zweifelsfrei für unschuldig hält?

Oppermann Wenn Wulff sicher ist, dass kein Verstoß gegen das niedersächsische Ministergesetz vorliegt, spricht doch erst recht nichts dagegen, in einem solchen Selbstreinigungsverfahren dies auch feststellen zu lassen. Im Gegenteil: Das bietet Christian Wulff die Chance, die Debatte zu beenden und seine Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.

Welche Rolle spielt die Kanzlerin in der Kredit- und Medienaffäre?

Oppermann Der Bundespräsident wird von Tag zu Tag eine immer größere Belastung für Bundeskanzlerin Merkel. Sie hat diesen Kandidaten vorgeschlagen und durchgesetzt. Damit trägt sie auch Verantwortung für sein Verhalten. Deshalb darf Frau Merkel nicht länger schweigen.

Eva Quadbeck führte das Gespräch.

(RP/das)
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