Corona-Lage kurz vor Weihnachten Omikron greift um sich - und auch die Sorge vor der fünften Welle

Berlin · Rings um Deutschland breitet sich die hoch ansteckende Omikron-Variante in rasend schnellem Tempo aus. Auch hierzulande gilt die weitere Verbreitung als ausgemachte Sache. Die Frage ist nur, wie schnell. Bisher setzt die Bundesregierung vor allem auf schärfere Reiseregeln und beschleunigtes Impfen.

 Wegen der rasanten Omikron-Ausbreitung in Großbritannien führt die Bundesregierung strenge Reisebeschränkungen für Rückkehrer (hier am Bahnhof London St Pancras) von der Insel ein.

Wegen der rasanten Omikron-Ausbreitung in Großbritannien führt die Bundesregierung strenge Reisebeschränkungen für Rückkehrer (hier am Bahnhof London St Pancras) von der Insel ein.

Foto: dpa/Joshua Bratt

Die Zahl der täglichen Corona-Neuinfektionen in Deutschland sinken zwar, dennoch gibt die rasante Ausbreitung der Virusvariante Omikron keinen Anlass zur Entwarnung. In vielen europäischen Ländern verschärft sich die Lage drastisch. Deutschland setzt bisher vor allem auf schärfere Reisebeschränkungen und ein hohes Impftempo. Es ist allerdings weitgehend unbestritten, dass sich die Omikron-Ausbreitung auch hierzulande nicht verhindern, sondern lediglich verzögern lässt.

Vor diesem Hintergrund hat sich nun der von der Bundesregierung eingesetzte Expertenrat zu Wort gemeldet. In einer ersten Stellungnahme zur Omikron-Ausbreitung, die unserer Redaktion vorliegt, benennen die Experten einen „Handlungsbedarf bereits für die kommenden Tage“. Sie schreiben: „Wirksame bundesweit abgestimmte Gegenmaßnahmen zur Kontrolle des Infektionsgeschehens sind vorzubereiten, insbesondere gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen.“ Zudem müssen die geltenden Maßnahmen „noch stringenter“ fortgeführt werden. „Parallel sollte die Impfkampagne erheblich intensiviert werden“, heißt es in dem Papier. Die Impfungen müssten auch über die kommenden Feiertage „mit allen verfügbaren Mitteln“ fortgesetzt und weiter beschleunigt werden. Insbesondere für Ältere und andere Risikogruppen sei „höchste Dringlichkeit“ geboten. Boosterimpfungen alleine könnten keine ausreichende Eindämmung der Omikron-Welle bewirken, sondern es seine „zusätzlich Kontaktbeschränkungen notwendig“. Dem Expertenrat gehören unter anderem der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité, der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, und die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig an.

Ab diesem Montag gilt Großbritannien als Virusvariantengebiet, wie das RKI mitteilte. Mit der Neueinstufung gehen verschärfte Regeln bei Einreise aus dem Vereinigten Königreich einher: Reisende müssen sich 14 Tage in Quarantäne begeben, auch wenn sie vollständig geimpft oder genesen sind. Ein Freitesten ist nicht mehr möglich. Einreiseberechtigt sind nur noch Bundesbürger und Menschen mit deutschem Wohnsitz. Nach Aussage des britischen Gesundheitsministers Sajid Javid vom Sonntag macht Omikron inzwischen 60 Prozent aller Infektionen in Großbritannien aus. Dort hatten sich die Omikron-Fälle zuletzt innerhalb nur eines Tages verdreifacht.

Die hoch ansteckende Variante greift auch in Nachbarländern Deutschlands in enormem Tempo um sich. Dänemark und die Niederlande verhängen kurz vor Weihnachten erneute Lockdowns. In den Niederlanden müssen seit Sonntag fast alle Geschäfte, Gaststätten, Kultur- und Sporteinrichtungen, Friseure und auch Schulen schließen; nur Läden zur täglichen Versorgung und Apotheken bleiben offen. In Dänemark müssten Kultur- und Sportstätten schließen, Restaurants dürfen nur bis 23 Uhr öffnen. Frankreich geht den Weg strengerer Impfregeln. Die Auffrischungsimpfung soll ab Januar nach vier statt bisher fünf Monaten erfolgen. Dänemark und Frankreich inzwischen als Hochrisikogebiete.

Auch hierzulande grassiert die Sorge vor den Auswirkungen der Omikron-Ausbreitung. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hat eindringlich vor einer weiteren Eskalation der Situation in deutschen Krankenhäusern gewarnt. „Wenn sich die Prognosen bestätigen, wonach die Omikron-Variante sehr viel ansteckender ist als Delta und auch der Impfschutz gegen schwere Verläufe bei nicht geboosterten Menschen schwächer ist, werden wir es im schlimmsten Fall mit einer großen Zahl gleichzeitig schwer erkrankter Patienten zu tun haben. Für die Krankenhäuser wäre dies eine weiter verschärfte Lage, die über all das hinausgeht, was wir bisher erlebt haben“, sagte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß unserer Redaktion. Die fünfte Welle würde Deutschland nach wissenschaftlichen Berechnungen treffen, noch bevor die hohe Belegung auf den Intensivstationen deutlich gesunken sei, so Gaß. In Großbritannien und Dänemark sei zu beobachten, dass auch deutlich mehr Beschäftigte im Gesundheitswesen coronabedingt ausfallen. „Noch mehr schwerkranke Patienten und zeitgleich massive Personalausfälle wäre eine weitere Eskalation der Situation, die über das bisherige hinausgeht“, sagte der DKG-Chef.

Zuvor hatte bereits Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gesagt, dass er vor einer „massiven fünften Welle“ ausgeht. Zu den schärferen Einreiseregeln aus Großbritannien sagte der Minister, dass diese helfen würden, dass sich Omikron nicht so schnell ausbreite. „Verhindern können wir die Verbreitung nicht, nur verzögern. Je länger es dauert, bis Omikron auch Deutschland im Griff hat, umso besser“, so der SPD-Politiker.

DKG-Chef Gaß appellierte an die Politik, dass sie die Erkenntnisse zu Omikron aus anderen Ländern „täglich analysiert“ und, falls sich die Befürchtungen bestätigen, „sehr frühzeitig“ mit Kontaktbeschränkungen gegensteuert. „Wir dürfen dann keine Zeit verlieren, dann muss sofort gehandelt werden, noch bevor die Zahlen auch in Deutschland nach oben gehen und eine Überlastung der Krankenhäuser nicht mehr zu verhindern ist“, so Gaß.

Bisher gibt es noch keine konkreten Pläne für eine weitere Verschärfung der Maßnahmen. Allerdings wurden am Wochenende erste Rufe nach einer erneuten Bund-Länder-Schalte noch vor Weihnachten laut, etwa von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seinem baden-württembergischen Amtskollegen Winfried Kretschmann (Grüne).

Die Bundesregierung setzt bislang vor allem auf ein hohes Impftempo und eine beschleunigte Booster-Kampagne. Der Leiter des neuen Corona-Krisenstabs im Kanzleramt, Generalmajor Carsten Breuer, sagte am Sonntag, dass das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel von 30 Millionen Impfungen bis zum Jahresende zu schaffen sei. Seit Mitte November seien mehr als 24,4 Millionen Menschen geimpft worden. Jetzt seien noch knapp zwei Wochen Zeit, so der General.

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