Nach der Wahl in Thüringen Offener Schlagabtausch in der CDU-Führung

Berlin · Die Nachlese der Thüringen-Wahl geriet zur Machtprobe für Kramp-Karrenbauer. Auch auf die große Koalition steigt der Druck.

 Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU in Thüringen, spricht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. In der Mitte sitzt Annegret Kramp-Karrenbauer.

Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU in Thüringen, spricht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. In der Mitte sitzt Annegret Kramp-Karrenbauer.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Das schlechte Abschneiden der CDU in Thüringen hat zu einem offenen Schlagabtausch am Montag im CDU-Vorstand geführt. Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, warf nach Teilnehmerangaben Annegret Kramp-Karrenbauer vor, die CDU verliere die Landwirte und sei beim Klimaschutz hinten dran. Er forderte, man müsse die Führungsfrage stellen. Hinter verschlossenen Türen wie auch später vor laufenden Kameras setzte sich die Parteichefin zur Wehr. „Wer immer meint, die Frage müsse jetzt in diesem Herbst entschieden werden, der hat auf dem Bundesparteitag Gelegenheit dazu“, sagte Kramp-Karrenbauer mit Blick auf ihr Amt als Parteichefin und auf die Kanzlerkandidatur. In der Gremiensitzung selbst soll sie zudem deutlich gemacht haben, dass der Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur nicht „zwingend“ miteinander verknüpft seien. Ihre Antwort an ihre Kritiker war in der Vorstandssitzung als „Machtwort“ aufgefasst worden. Der Applaus war nach Teilnehmerangaben anschließend lang. Kuban versicherte am Rande nach der Sitzung: „Es gibt keinen Machtkampf in der CDU.“

Obwohl die Unruhe in der CDU groß ist, wird bislang nicht damit gerechnet, dass es schon beim Parteitag im November zu einer Machtprobe zwischen AKK und ihren Gegnern kommt. Der Parteisatzung zufolge ist ein reiner Überraschungsangriff auf dem Parteitag nicht möglich. Vielmehr müsste mindestens eine Woche vorher ein entsprechender Antrag vorliegen, hieß es aus Parteikreisen. In jedem Fall wird sich der Parteitag mit dem Antrag der Jungen Union befassen müssen, in dem der Parteinachwuchs eine Urwahl des Kanzlerkandidaten durch die Parteibasis fordert.

Streit gab es im Vorstand zudem über eine mögliche Kooperation der CDU in Thüringen mit den Linken, nachdem Landeschef Mike Mohring angekündigt hatte, dass er das Gesprächsangebot von  Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) annehmen wolle. Ein Parteitagsbeschluss der CDU schließt „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“, also auch Tolerierungsmodelle,  mit Linken und AfD aus. Insbesondere die CDU-Politiker aus dem Westen verwiesen darauf, dass die CDU ihre Identität nicht aufgeben dürfe.

Ramelow hatte mit seinen Linken mehr als 30 Prozent bei der Landtagswahl eingefahren. Die CDU liegt nach der AfD nur auf Platz 3. Erstmals in der Bundesrepublik können die Parteien der Mitte CDU, SPD, Grüne und FDP keine eigene Mehrheit in einem Parlament bilden. Kramp-Karrenbauer sagte am Montag, es habe keinen Rückenwind aus Berlin gegeben.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil äußerte sich mit Blick auf das desolate Ergebnis der Thüringer SPD von nur etwas mehr als acht Prozent fast wortgleich. „Natürlich weiß ich, dass die Bundespolitik keinen Rückenwind gegeben hat“, sagte Klingbeil am Montag in Berlin. Direkte Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit der Union in der großen Koalition sieht er aber wegen Thüringen nicht, sprach von Handlungsfähigkeit. Er nannte wichtige Zukunftsprojekte wie die Grundrente, die man in dem Bündnis noch umsetzen wolle. Und Klingbeil verteidigte den langen Auswahlprozess für die nächsten SPD-Vorsitzenden. Beim Parteitag im Dezember werde man den Prozess abschließen und „dann muss sich der Blick der Partei endlich wieder nach draußen richten“, so der Generalsekretär.

Das Kandidatenteam von Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken tritt in einer Stichwahl um den SPD-Parteivorsitz gegen Finanzminister Olaf Scholz und die Brandenburgerin Klara Geywitz an. Walter-Borjans und Esken sehen in dem Thüringer Ergebnis sehr wohl eine Warnung an die Koalition in Berlin. „Obwohl die Landesregierung unter sozialdemokratischer Beteiligung hohe Zustimmungswerte hat und die Mitglieder vor Ort bis zuletzt vorbildlich gekämpft haben, ist es der Thüringer SPD nicht gelungen, mit ihrem landespolitischen Programm durchzudringen“, sagte Walter-Borjans. „In den Augen der Wählerinnen und Wähler mangele es der Gesamtpartei an Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft. Das zeigen alle Umfragen.“ Und auch die CDU sei massiv abgestraft worden. Das Thüringer Ergebnis sei eine Warnung für die Parteien der großen Koalition, sagte Walter-Borjans und forderte mutige Schritte: „Deutschland braucht ein Fortschrittsprogramm mit öffentlichen Investitionen in Höhe von insgesamt 500 Milliarden Euro für gerechten Klimaschutz, sichere Jobs und mehr Verteilungsgerechtigkeit“, so der SPD-Vorsitzkandidat.

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