Berlin Ökonomen warnen vor Nahles' Job-Plänen für Flüchtlinge

Berlin · Die Arbeitsministerin plant 100.000 staatlich geförderte Stellen. Ökonomen raten ihr davon ab und fordern mehr Geld für die Qualifizierung.

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) verlangt von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) 500 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen, den größten Teil davon für staatlich geförderte Jobs. Sie brauche allein 450 Millionen Euro für die Schaffung von 100.000 staatlich subventionierten Arbeitsgelegenheiten, sagte Nahles den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Aus dem laufenden Etat könne sie die Maßnahmen nicht finanzieren, denn dann müsste sie bei den Langzeitarbeitslosen kürzen, sagte Nahles. Die Verhandlungen mit Schäuble über den Haushalt 2017 haben gerade begonnen. Allerdings braucht Nahles mehr Geld für die Integration schon 2016. Sie rechnet damit, dass wegen des Flüchtlingszuzugs die Hartz-IV-Empfänger-Zahl 2016 um 270.000 steigt, davon seien 200.000 erwerbsfähig.

"Bisher sitzen die Menschen manchmal zwölf Monate herum, ohne etwas tun zu können. Das löst auf allen Seiten Spannungen aus. Wir müssen so früh wie möglich ansetzen, das kann ich aber nur mit Unterstützung des Finanzministers", sagte die SPD-Politikerin.

Ökonomen kritisierten ihren grundsätzlichen Ansatz. Zwar sei es richtig, für die raschere Arbeitsmarktintegration Geld in die Hand zu nehmen. Doch seien öffentlich geförderte Ein-Euro-Jobs genau der falsche Weg für die spezielle Gruppe junger Flüchtlinge, die jetzt vor allem qualifiziert werden müssten.

"Ziel der Integration der Geflüchteten muss es sein, sie so schnell aber auch so gut wie möglich in den Arbeitsmarkt zu bringen", sagte Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Diese Ziele würden Ein-Euro-Jobs nicht erfüllen. "Öffentlich geförderte Arbeitsgelegenheiten erscheinen nicht als der richtige Weg, Flüchtlinge in Arbeit zu bringen", sagte Ronald Bachmann vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. "Sie mögen zwar kurzfristig bei der sozialen Integration hilfreich sein. Längerfristig stellen sie aber wohl kaum ein gutes Sprungbrett in den regulären Arbeitsmarkt dar." Zudem bestehe "die erhebliche Gefahr, dass Flüchtlinge, die an Arbeitsgelegenheiten teilnehmen, sich weniger beruflich weiterqualifizieren, als dies sonst der Fall wäre", sagte Bachmann.

"Durch Ein-Euro-Jobs würden Flüchtlinge vom regulären Arbeitsmarkt wegsubventioniert", warnte auch Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft. Sie bräuchten keine Beschäftigungstherapie, sondern Qualifizierung. Viele von ihnen seien hochmotiviert. Um zu verhindern, dass sie zu lange nicht arbeiten, müssten die Asylverfahren beschleunigt werden.

(mar)
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