Wehrpflicht-Streit Ökonomen fordern Abschaffung des Zivildienstes

Berlin (RPO). Der Streit um die Zukunft der Bundeswehr hat eine heftige Debatte um den Sinn des Zivildienstes ausgelöst. Während Sozialverbände eine Kostenexplosion befürchten, um einen Ausfall des Zivildienstes auszugleichen, kritisieren Wirtschaftsexperten den Ersatzdienst als Vergeudung von Talenten und Vernichtung von Jobs.

Zivildienst - eine Chronik
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Die Debatte um die Aussetzung der Bundeswehreinberufung und deren Folgen für den Zivildienst ruft, einen Tag bevor Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mögliche Modelle für die Zukunft der Bundeswehr vorstellt, die Kritiker des Ersatzdienstes auf dem Plan. Wirtschaftsexperten fordern das Ende des Zivildienstes.

Welche Folgen das haben könnte, ist umstritten. Sozialverbände befürchten durch einem Wegfall des Zivildienstes jährliche Mehrkosten von mehr als 200 Millionen Euro. Nach Einschätzung der Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer sind allerdings die "Zivis" problemlos durch Freiwillige oder regulär beschäftigte Hilfskräfte zu ersetzen.

Nach einer Statistik der Organisation gibt es in diesem Jahr im Schnitt nur noch knapp 63.000 Zivildienstleistende, 1999 waren es mit 138.000 noch mehr als doppelt so viele. Wenn der Dienst künftig verkürzt werde, werde seine Bedeutung weiter sinken, sagt der Geschäftsführer der Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer, Peter Tobiassen. Zivildienstleistende machten gerade einmal ein Prozent der Beschäftigten in der Branche aus.

"Zivildienst vernichtet Arbeitsplätze"

Nach Einschätzung von Harald Trabold von der Fachhochschule Osnabrück müssten soziale Dienste ohne Zivildienstleistende zu Anfang mit steigenden Kosten rechnen. Langfristig würden die zusätzlichen Kosten "durch Effizienzsteigerungen" wieder aufgefangen.

Nach Einschätzung des Direktors am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, Kai Konrad, sind die Folgen des Zivildienstes, wie wir ihn heute kennen, verheerend. "Der Zivildienst führt zu Vergeudung von Talent und Ressourcen, er vernichtet außerdem Arbeitsplätze und führt zu Wettbewerbsverzerrungen ", sagte Konrad der "Welt am Sonntag". Krankenhäuser und Altersheime sollten "den echten Preis für alle Arbeitskräfte" zahlen, die sie benötigten.

Ähnlich äußerte sich der Münchner Bildungsökonom Ludger Wößmann, der durch den Wegfall so genannter Zwangsdienste Vorteile für die Volkswirtschaft sieht. Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, äußert sich ähnlich kritisch. Er räumte ein, dass junge Männer beim Zivildienst "fürs Leben lernen" würden. Dennoch sei es "politisch ungerecht und ökonomisch unklug, diesen Effekt per Zwangsdienst nur für ein paar ausgesuchte Männer einzufordern".

Familienministerium prüft verschiedene Szenarien

Auch das Familienministerium ist davon überzeugt, dass die soziale Infrastruktur in jeden Fall gesichert werden kann. 2011 hat der Bund 567 Millionen Euro im Haushalt für den Zivildienst eingeplant. Würden davon nur 170 Millionen an die Bundesagentur für Arbeit gegeben, könnten damit die Lohnkosten der Ersatzarbeitskräfte für die 15.000 Zivildienstleistenden in Gemeinwohl orientierten Pflege- und Betreuungseinrichtungen gezahlt werden, heißt es in der Stellungnahme der Zentralstelle für Kriegsverweigerer. Daneben müsse das Angebot an freiwilligen sozialen Diensten massiv ausgebaut werden, verlangt Geschäftsführer Tobiassen.

Das Bundeskabinett hat Familienministerin Schröder beauftragt, bis Anfang September zu klären, welche Auswirkungen eine Veränderung der Wehrpflicht auf den Zivildienst und die soziale Infrastruktur hätte. Dazu werden im Familienministerium zurzeit mehrere Szenarien durchgespielt. Zu den Überlegungen zählt dem Vernehmen auch ein deutlicher Ausbau des Freiwilligen Sozialen Jahres.

(rm/fb)
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