Einigung von CDU und CSU Grüne kritisieren Flüchtlingskompromiss der Union

Berlin · Grüne Parteilinke kritisieren die Unionskompromiss zur Flüchtlingspolitik - Angela Merkel hingegen sieht darin kein Hindernis für eine Jamaika-Koalition. In der kommenden Woche sollen die Sondierungsgespräche beginnen.

 "Alles hat seine Zeit. Gestern war diese Zeit": Seehofer, Merkel.

"Alles hat seine Zeit. Gestern war diese Zeit": Seehofer, Merkel.

Foto: dpa, nie cul

Kanzlerin Angela Merkel sieht im Kompromiss mit der CSU auf eine Richtgröße von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr keine Hürde für eine Jamaika-Koalition. Wichtig sei nur, dass die Union nach langem Streit nun mit einer gemeinsamen Haltung in der nächsten Woche in die Sondierungsgespräche mit FDP und Grünen gehe, sagte Merkel in einer Pressekonferenz mit CSU-Chef Horst Seehofer in Berlin.

Die beiden potenziellen Koalitionspartner äußerten sich umgehend kritisch. Grünen-Chef Cem Özdemir mahnte: "Am Ende kommt etwas anderes raus." Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte unserer Redaktion, die Zahl 200.000 sei willkürlich gegriffen.

Mühsame Einigung

CDU und CSU hatten sich am Sonntagabend mühsam auf eine Größenordnung für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge geeinigt. Die vom bayerischen Ministerpräsidenten geforderte starre Obergrenze soll es nicht geben. Dagegen wird das Grundrecht auf Asyl hervorgehoben, worauf Merkel bestanden hatte.

Die CDU-Vorsitzende betonte, kein Asylbewerber über der Zahl 200.000 werde abgewiesen, sondern bekomme ein "ordentliches" Verfahren. Mit dem Papier gibt sie aber die Garantie ab, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit sich das Jahr 2015 mit fast einer Million Flüchtlingen nicht wiederholt und die Zahl 200.000 eingehalten wird. Merkel kündigte an, jetzt würden alle Unterschiede mit FDP und Grünen durchdekliniert. Am 16. Oktober treffen sich CDU und CSU noch einmal intern, um ihre Linie unter anderem bei der Rente festzulegen - Knackpunkt ist hier die von der CSU geforderte Aufstockung der Mütterrente. Am 18. Oktober will die Union zunächst getrennt mit FDP und Grünen sprechen, zwei Tage später in großer Runde.

"Gestern war die Zeit"

In die Gesamtzahl von 200.000 Menschen bezieht die Union nicht den Zuzug von EU-Arbeitnehmern sowie von ausländischen Fachkräften im Rahmen eines möglichen "Fachkräfte-Zuwanderungsgesetzes" ein. Ferner sollen Bundesregierung und Bundestag bei "internationalen oder nationalen Entwicklungen" wie Kriegen oder hoher Arbeitslosigkeit von der Zielgröße abweichen können. Alle neu ankommenden Asylbewerber sollen für die Dauer ihres Verfahrens in "Entscheidungs- und Rückführungszentren" bleiben.

Der Grünen-Parteilinke Jürgen Trittin bezeichnete diese als "Abschiebezentren". Sie seien in der großen Koalition schon an der SPD gescheitert, sagte er unserer Redaktion. "Wie will man diese nun mit Grünen und der FDP umsetzen?"

Der Union warf Trittin wegen ihres Neins zum Familiennachzug für Flüchtlinge vor, christliche Werte zu verleugnen. "In der Sache hat sich die CSU durchgesetzt. Sie will dauerhaft den Familiennachzug unterbinden. Das ist eine Verleugnung urchristlicher Werte", sagte er unserer Redaktion. "Das läuft allen Integrationsbemühungen entgegen."

Auch die Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer lehnten die Grünen "mit sehr guten Gründen" ab, sagte Trittin. "Sie läuft auf ein Aushebeln grundlegender menschenrechtlicher Standards hinaus."

CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich unterdessen "rundum zufrieden". Für ihn sei der "materielle Gehalt" entscheidend. Auf die Frage, warum sie sich nicht früher geeinigt hätten, sagte Merkel: "Alles hat seine Zeit. Gestern war diese Zeit."

(kd / mar)
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