Corona-Maßnahmen Nur nicht zu viel riskieren

Berlin · Bund und Länder halten die Kontaktbeschränkungen in der Corona-Krise weitgehend aufrecht. Für Armin Laschet ist der Tag nicht gut gelaufen.

Corona-Maßnahmen: Nur nicht zu viel riskieren
Foto: AFP/BERND VON JUTRCZENKA

Es geht in die Verlängerung. Und zwar um zwei Wochen. Das ist in diesem Fall eine lange Zeit. Die Ministerpräsidenten haben mit der Bundeskanzlerin am Mittwoch in einer Telefonschalte hart gerungen. Angela Merkel ganz oben im Kanzleramt, mit ihr in der Zentrale der Macht noch Bayerns Regierungschef und derzeitiger Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, Markus Söder (CSU), und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) – einen kurzen Fußweg entfernt, jeweils in einem eigenen Raum. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ist aus seinem Ministerium zugeschaltet. Und dann um 18.05 Uhr treten sie zu viert vor die Presse. Sehr viel später als geplant. Zwischen ihnen eine Armlänge Abstand. Sie haben schwerwiegende Beschlüsse zu verkünden.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dankt den Bürgern für ihre Disziplin. Den Menschen, „die ihr Leben verändert haben, nicht weil sie der Regierung gefallen wollen, sondern weil sie ihren Mitmenschen helfen wollen“. So sei erreicht worden, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet und „am Laufen“ gehalten wurde. Das ist das oberste Ziel der Kanzlerin. Sie will vermeiden, dass Infizierte nicht die bestmögliche Behandlung bekommen können, weil der Platz, die Beatmungsgeräte in Kliniken nicht ausreichen. Ihr Gesicht wirkt aber versteinert, als sie verkündet, dass die Freiheitsbeschränkungen fortgesetzt werden und es nur kleine Exit-Schritte gibt. Sie sagt zwar, der Zwischenstand sei erfolgreich. Aber es sei eben auch ein zerbrechlicher Zwischenstand.

Für Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) ist es nicht zum Besten gelaufen. Mit seinem zurückhaltenden und auf Sicherheit setzenden Kurs hat sich sein Amtskollege – und möglicher Konkurrent um die Kanzlerkandidatur – Markus Söder aus Bayern durchgesetzt. Laschet dürfte nun an der von ihm angekündigten „Flexibilität“ eines einzelnen Bundeslandes arbeiten.

Laschet-Kritik kam prompt von der NRW-SPD: Im Ringen über den Ausstieg aus den Corona-Einschränkungen sei dieser gescheitert. Die Einigungen könnten „nur als Laschets Bauchlandung verstanden werden“, sagte SPD-Landeschef Sebastian Hartmann. Laschet sei vor Ostern „als Exit-Treiber gestartet und nach vorn gerannt“, kritisierte Hartmann. „Es war einfach zu viel, nicht abgestimmt, eben im kompletten Alleingang.“ Die Landesminister für Familie und für Schule, Joachim Stamp und Yvonne Gebauer (beide FDP), hatten am Dienstag angekündigt, dass die Schulen schon nach den Osterferien und die Kitas eine Woche später schrittweise wieder öffnen sollten.

Söder, ganz Pokerface, lässt in der Pressekonferenz aber keine Genugtuung erkennen. Er sagt, das Gebot sei Zurückhaltung und Sicherheit und keine überstürzten Lockerungen. Vor fast vier Wochen war der CSU-Chef selbst mit Ausgangsbeschränkungen in Bayern vorgeprescht – und dafür von den Länderkollegen heftig kritisiert worden.

Jetzt hat Laschet einen Konter versucht. Doch die Schulen bleiben nach diesem Beschluss erst einmal geschlossen, anders als es Nordrhein-Westfalen wollte. Erst am 4. Mai soll es schrittweise wieder losgehen. Auch in NRW. Keine Zweifel? Merkel betont: „Ich sage Ihnen gerade, was wir beschlossen haben.“ Söder verzichtet nicht darauf zu betonen, dass die Schulen eine Vorlaufzeit bräuchten, um wieder zu öffnen. Darum hätten auch die Lehrer gebeten. NRW wollte eigentlich schon an diesem Montag wieder einsteigen.

Immerhin: Die Masken in Handel, Bus und Bahnen kommen, aber vorerst nur als Empfehlung. Am 30. April wollen sie Leitlinien und Lockerungen wieder auf den Prüfstand stellen – in einer Schaltkonferenz. Dann eventuell mit weiteren Exit-Schritten.

Es dürfe kein falsches Vorpreschen geben, „auch wenn die besten Absichten dahinterstehen“, sagt Merkel. Man darf das als Kritik an Laschet verstehen, aber auch an Söder, der vor Wochen sich selbst schon als Speerspitze präsentiert hatte, als Deutschlands oberster Kontaktbeschränker. Aber jetzt gibt sich Söder ganz zahm, ganz umsichtig, mit dem Fuß auf der Bremse. Zu groß sei die Gefahr eines Rückschlages, „wenn wir jetzt zu viel riskieren“, und wenn man nun eine Normalität vorgaukele, „die es noch nicht gibt“. Söder rational: „Für mein Land kann ich sagen, wir werden es vorsichtig angehen.“ Auch beim Fußball. Geisterspiele in der Bundesliga? Nürnberg-Fan Söder: „Nein, die Bundesliga war heute kein Thema.“

Etwas gereizter wirkt er dann aber, als die Frage kommt, ob es unter den Ministerpräsidenten jemanden gab, der die schwierige Lage der Wirtschaft angesprochen und vor großen Schäden gewarnt habe. Alle in diesem Kreis treibe das um, sagt er, nicht nur einige wenige. Laschet soll hier seine Stimme erhoben haben.

Merkel sagt, man werde in einem föderalen Gebilde „nie auf den Tag genau das Gleiche haben“. Aber der Geist in der Runde sei so einheitlich gewesen, „dass es für einen föderalistischen Staat schon Gast an ein Wunder grenzt“. Scholz sagt noch, Deutschland bewege sich in eine neue Normalität. Er meint: eine Normalität im Ausnahmezustand.

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