Verdi-Chef Bsirske "Nullrunde für Länderbeschäftigte wäre Kampfansage"

Dortmund (RP). Gegen die Sparpläne von Schwarz-Gelb haben am Wochenende deutschlandweit 100.000 Gewerkschafter demonstriert. Sie kritisieren die einseitige Belastung. Ärmere Bevölkerungsschichten würden stärker zur Kasse gebeten als reichere. In der Westfalenhalle in Dortmund machten 14.000 ihrem Ärger über die Reformen Luft.

In der Dortmunder Westfalenhalle drängen sich die Massen. Keine Rock- oder Popgröße hat die 14 000 Menschen an diesem Wochenende angelockt. Es ist die Wut, die sie trotz des stürmischen Wetters hergebracht hat. Die Wut auf das Sparpaket der schwarz-gelben Bundesregierung, das sie als unsozial empfinden und das ihrer Ansicht nach die Falschen die Zeche für die Krise zahlen lässt.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte bereits vor Wochen begonnen, mit zahlreichen Aktionen gegen die Politik von Union und FDP mobilzumachen. Ein heißer Herbst sollte es sein. Die Kundgebung in Dortmund ist als krönender Abschluss gedacht. Zeitgleich gehen Zehntausende in Stuttgart, Nürnberg, Erfurt und Hannover auf die Straßen.

"Highway to Hell"

Und dann gibt es für die Gewerkschafter in Dortmund doch noch ein bisschen Rock: Die Gruppe Just Pink läutet die Kundgebung mit ihrer Version des Rockklassikers "Highway to Hell" ("Autobahn in die Hölle") ein — Symbolik für den eingeschlagenen Kurs der Regierung. Es ist allerdings auch nur noch Symbolik, die den Gewerkschaftern bleibt. Das Sparpaket hatte den Haushaltsausschuss in der Nacht zum Freitag längst passiert.

So versteigt sich auch Verdi-Chef Frank Bsirske, betont hemdsärmlig, zu einer symbolischen Geste, die an den Manieren des Funktionärs zweifeln lässt. Beide Mittelfinger reckt der Chef der zweitgrößten deutschen Gewerkschaft den Verantwortlichen in Berlin entgegen, die "das Raubtier des Kapitalismus" immer noch frei herumlaufen ließen, während die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklaffe: "Die unten werden zu viel belastet, während die oben entlastet werden", so Bsirskes Fazit.

Vor allem die finanzielle Lage der Kommunen bereitet ihm Sorge, schließlich vertritt seine Gewerkschaft viele Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes: "Städte wie Oberhausen oder Duisburg müssen bereits Kassenkredite aufnehmen, damit sie ihre Mitarbeiter bezahlen können", ruft er. Es drohten "griechische Verhältnisse", sollte sich an den Rahmenbedingungen nichts ändern. Und die seien nicht von Gott gegeben, sondern ließen sich von der Politik auch wieder ändern, so Bsirske.

"Eine Tarifrunde ist kein Wunschkonzert"

Für die Entlastung schlägt der Verdi-Chef unter anderem die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine höhere Erbschaftsteuer sowie eine Anhebung des Spitzensteuersatzes vor. Auch bei der Kapital- und Gewinnsteuer sei Deutschland schließlich ein "Niedrigsteuerland". Allein durch unbesetzte Steuerfahnder-Stellen verzichte der Staat auf fünf bis sechs Milliarden Euro pro Jahr.

Am Rande der Veranstaltung geht es dann doch um Entscheidungen abseits von Symbolik. Schließlich steht im Dezember für Bsirske die nächste Tarifrunde an. Dann verhandelt er mit den Ländern. Sein Kollege vom Deutschen Beamtenbund, Rainer Wendt, hatte schon einmal forsch sieben Prozent mehr Lohn gefordert. "Eine Tarifrunde ist kein Wunschkonzert, und ich will unserer Tarifkommission, die Mitte Dezember die Verdi-Forderung aufstellt, nicht vorgreifen", winkt Bsirske zunächst ab. Doch dass er ein Lohnplus für die Beschäftigten herausholen will, ist unstrittig.

Der Verhandlungsführer der Arbeitgeberseite, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), hatte eine Nullrunde gefordert: "Wenn Herr Möllring das mit der Nullrunde tatsächlich ernst meinen sollte, wäre das natürlich eine Kampfansage an uns und die Beschäftigten der Länder", sagt Bsirske. "Allerdings halte ich die Aussagen von Herrn Möllring eher für verbale Kraftmeierei."

Dafür genügt ein Blick in den Haushalt des Landes Niedersachsen. "Da sehen Sie, dass die Personalkosten für 2011 nicht mehr, wie ursprünglich eingebracht, um 0,5 Prozent steigen sollen, sondern auf 1,9 Prozent angehoben wurden", sagt der Verdi-Chef. Das sei kein Signal dafür, dass Möllring tatsächlich mit einer Nullrunde rechne.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort