Rücktritt löst Fassungslosigkeit aus "Null-Bock-Horst" — Köhler erntet böse Kritik

Düsseldorf (RPO). Horst Köhler hat sich mit seinem überraschenden Rücktritt einen zweifelhaften Dienst erwiesen. Er begründete ihn mit mangelndem Respekt vor dem Amt. Viele scheinen das als Aufforderung verstanden zu haben, den resignierten Schwaben jetzt erst recht mit ätzender Kritik zu überziehen. Bei den Bürgern findet Köhler Verständnis.

"Null-Bock-Horst" - Viel Kritik an Köhler
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Foto: ddp

Die offiziellen Reaktionen aus dem politischen Berlin fielen an dem aufregenden Rücktritts-Montag so staatstragend aus, wie man es bei solchen Ämtern wie dem eines Bundespräsidenten erwarten kann. Kanzlerin Angela Merkel bedauerte den Rücktritt aufs "allerhärteste", Vizekanzler Guido Westerwelle mahnte, man habe die Entscheidung Köhlers zu respektieren, CSU-Chef Horst Seehofer rühmte Köhler als einen, der das Amt des Bundespräsidenten mit großer Ernsthaftigkeit und Würde ausgefüllt habe.

Doch die Würdigungen klingen tönern. Zu groß ist der Schock, zu tief die Wunde, die Köhler geschlagen hat. In ungewöhnlich drastischen Worten soll Merkel Köhler beschworen haben, seine Entscheidung zurückzunehmen. Die Kanzlerin habe ihn vor den Folgen gewarnt, berichtet Spiegel Online unter Berufung auf Unionskreise. Ein Rücktritt könne eine schwere Krise für das Land nach sich ziehen und das Vertrauen vieler Bürger in die Institutionen des Staates erschüttern. Die Kanzlerin wusste nur zu gut: Die schwarz-gelbe Koalition kann eine neue Krisenbaustelle derzeit so gut gebrauchen wie ein einen Kropf. Endgültig ist Merkels Regierung in eine existenzielle Krise gestürzt.

Entsetzen

Köhler hat mit seinem fluchtartigen Rücktritt nicht nur Angela Merkel vor den Kopf gestoßen. Auch führende Politiker aus Europa zeigen sich unverhohlen entsetzt. Der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef und Finanzminister Jean-Claude Juncker, sagte am Dienstag im Bayerischen Rundfunk : "Ich halte diesen Rücktritt für einen intern nicht nachvollziehbaren Schritt und für einen extern nicht guten Schritt." Die Rücktrittsnachricht sei eine schlechte Nachricht sowohl für Deutschland als auch für Europa.

SPD und Grüne sind ohnehin nicht besonders gut auf Köhler zu sprechen. Schließlich war es auch deren scharfe Kritik an Köhlers ungelenken Worten zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, die den Bundespräsidenten zum Rücktritt getrieben hatten. Ein verantwortliches Staatsoberhaupt müsse solche Kritik aushalten, hieß es daraufhin bei den Grünen. SPD-Chef Sigmar Gabriel trauerte um die politische Kultur in Deutschland und machte mangelnde Unterstützung von Schwarz-Gelb für den Rücktritt Köhlers verantwortlich.

Bitterer Spott in den Kommentarspalten

Überaus scharf fällt am Tag danach die Kritik in den Medien aus. Auch sie hat Köhler am Montag mitverantwortlich gemacht für seinen Entschluss, den Bettel hinzuschmeißen. Nun schlagen die so kritisierten Blätter zurück. Die Süddeutsche Zeitung macht sich über den "Null-Bock-Horst" lustig, Spiegel-Online attestierte Köhler inhaltliche Leere und erkennt in seinem Rücktritt eine Mischung aus Selbstmitleid und Wut.

Doch auch andere Medien stimmen in den Chor der Kritiker mit ein. Es ist mitunter bitterböse, was dort über den Gescheiterten ausgeschüttet wird. Fast überall wird ein Punkt hervorgehoben: Der vereinsamte Köhler habe mit seinem Rücktritt das Amt beschädigt und sei seiner staatspolitischen Verantwortung nicht gerecht geworden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt von einer Verzweiflungstat, andere vergleichen den bis Montag noch obersten Mann im Staate mit dem beleidigten Vorsitzenden eines Kegelvereins.

Anerkennende Wörte bei den Lesern

In der Bevölkerung scheint Köhler hingegen noch Kredit zu haben. Der "Bürgerpräsident" wurde dort von vielen - und das zurecht - nie als Teil des politischen Systems wahrgenommen und war daher beliebt. Wie Köhlers Rücktritt das Meinungsbild verändert, ist bislang nicht in repräsentativen Umfragen erfasst. Doch Stichproben zeigen: Viele empfinden Sympathien für Köhlers Abgang. In einer Abstimmung auf unseren Webseiten stimmen zwei Drittel der User für die Aussage "Schade, seine Stimme wird mir fehlen."

In zahlreichen Kommentaren bekunden Leser ihren Respekt und bezeichnen Köhler als Ehrenmann. "Herr Köhler hat das gemacht was wir jeden Tag gerne machen würden. Bis hier und nicht weiter, ich will mich noch rasieren können...", schreibt ein User. In ihren Augen ist Köhler ein Opfer der Medien und des Haifischbeckens in Berlin.

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