Die USA, die EU und die Geheimdienst-Schnüffelei NSA — Ruf nach Konsequenzen wird lauter
Berlin · Das am Wochenende bekannt gewordene Ausmaß der Schnüffeleien durch den US-Geheimdienst ruft eine Welle der Empörung hervor. Immer mehr Politiker in der EU und in Deutschland fordern Konsequenzen in Bezug auf die Vereinigten Staaten. Und so nimmt auch der Druck auf Kanzlerin Merkel und Innenminister Friedrich zu – zumal von beiden in den vergangenen Tagen recht wenig zu hören war.

Diese Überwachungsprogramme hat Edward Snowden bislang verraten
Das am Wochenende bekannt gewordene Ausmaß der Schnüffeleien durch den US-Geheimdienst ruft eine Welle der Empörung hervor. Immer mehr Politiker in der EU und in Deutschland fordern Konsequenzen in Bezug auf die Vereinigten Staaten. Und so nimmt auch der Druck auf Kanzlerin Merkel und Innenminister Friedrich zu — zumal von beiden in den vergangenen Tagen recht wenig zu hören war.
Als US-Präsident Barack Obama vor Kurzem zu Gast in Berlin war, da hatte der Abhörskandal um den US-Geheimdienst NSA bereits erste Wellen geschlagen. Angela Merkel versprach, dies zum Thema zu machen. Doch in Erinnerung ist vielen nur die Bemerkung der Kanzlerin geblieben, dass das Internet für alle gewissermaßen noch Neuland sei. Vielleicht auch noch, dass Obama betonte, man wolle keine "normalen" Bürger ausspionieren, sondern dies alles seien Maßnahmen im Kampf gegen den Terror.
Inzwischen aber kommt immer mehr das Ausmaß der Spionageaktionen der Vereinigten Staaten zutage. Zuletzt hatte an diesem Wochenende der britische "Guardian" berichtet, dass auch diplomatische Vertretungen ausspioniert wurden. Es seien etwa Wanzen in Botschaften versteckt worden. Und der "Spiegel" hatte berichtet, dass in Deutschland monatlich eine halbe Milliarde Kommunikationsverbindungen überwacht würden und die Bundesrepublik nicht nur als Partner, sondern auch als Angriffsziel gesehen werde. Entsprechend groß ist nun die Empörung insbesondere aufseiten der Opposition.
"Bundeskanzlerin muss für volle Transparenz sorgen"
So sagte etwa die Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt in Richtung Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, "dass er mal sagen muss, wie man eigentlich die deutschen Bürgerinnen und Bürger vor so etwas bewahren kann". Die Grünen-Politikerin fordert aber ebenfalls einen Untersuchungsausschuss auf EU-Ebene, der sich mit dem gesamten Ausmaß des Skandals beschäftigen müsse.
Konstantin von Notz, netzpolitischer Sprecher der Grünen, erklärte: "Die Bundeskanzlerin selbst muss sofort für volle Transparenz sorgen. Frau Merkel trägt für die Vorgänge die direkte politische Verantwortung, denn die Geheimdienstkoordination liegt im Bundeskanzleramt." Linksparteichefin Katja Kipping verlangte auf Spiegel Online, dass die Bundesregierung umgehend den amerikanischen Botschafter einbestelle und ihren formellen Protest übermittele. Und auch vonseiten der SPD hagelt es insbesondere am Bundesnachrichtendienst massive Kritik.
In Zeiten des Wahlkampfes ist die Empörung vonseiten der Politik natürlich größer als ohnehin schon. In der Bundesregierung selbst wagten sich bislang aber nur wenige Politiker mit Kritik hervor. So wie etwa die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die sich in der Innenpolitik ohnehin in Bezug auf die Vorratsdatenspeicherung mit Innenminister Hans-Peter Friedrich angelegt hatte. Ebenfalls von der FDP äußerte sich Fraktionschef Rainer Brüderle, der Brüssel aufforderte, den amerikanischen Botschafter einzubestellen. Doch weder von Friedrich noch von Merkel ist derzeit etwas zu hören.
US-Regierung will keine offizielle Erklärung abgeben
Innenminister Friedrich etwa, ein Verteidiger der Vorratsdatenspeicherung, hat sich seit Aufkommen des Skandals nur kurz dazu geäußert. Er hatte die Arbeit von Nachrichtendiensten innerhalb der gesetzlichen Grenzen verteidigt und die Aufregung über die Berichte von einer weitgehenden Überwachung der Internetkommunikation durch Geheimdienste aus den USA und Großbritannien im Bundestag als "verständlich" bezeichnet. Von Kritik an den USA war aber nicht wirklich etwas zu hören. Und auch von der Kanzlerin kam nach Obamas Besuch kein Wort in Richtung Washington.
Nun hat die US-Regierung bereits verlauten lassen, dass sie keine offizielle Erklärung zu den neuen Vorwürfen abgeben werde, sondern dies über die diplomatischen Kanäle klären wolle. Den meisten Bürgern und auch der Opposition dürfte das aber nicht reichen. Umso lauter werden die Rufe in Richtung Regierung, den Druck auf die USA zu erhöhen.
Als ein Mittel wird etwa das Freihandelsabkommen, das derzeit mit USA verhandelt wird, genannt. Es mehren sich die Forderungen, die Verhandlungen zunächst auf Eis zu legen, bis die Affäre vollständig aufgeklärt werde. Ob das überhaupt möglich ist, ist fraglich. Allerdings dürften die Kanzlerin und ihr Innenminister kaum noch darum herumkommen, sich der Kritik an Washington anzuschließen und eventuelle Konsequenzen zu bedenken — gemeinsam mit der EU. Zumal das Sicherheitsbedürfnis der Wähler gerade in Wahlkampfzeiten nicht unterschätzt werden sollte.
Am Montagmittag äußerte sich schon einmal Regierungssprecher Steffen Seibert. "Wenn sich bestätigt, dass tatsächlich diplomatische Vertretungen der Europäischen Union und einzelner europäischer Länder ausgespäht worden sind, dann müssen wir ganz klar sagen: Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel, das geht gar nicht", sagte er in Berlin. "Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg." Notwendig seien vollständige Aufklärung "und gegebenenfalls eine einstimmige und auch eine sehr deutliche europäische Reaktion".
mit Agenturmaterial