Bund-Länder-Treffen Ukraine-Flüchtlinge erhalten Hartz IV

Berlin/Düsseldorf · Bis in die Nacht rangen Bund und Länder: Ab Juni erhalten die Ukraine-Flüchtlinge Hartz IV-Leistungen, die der Bund trägt. Bis dahin bekommen die Länder zwei Milliarden Euro. Ministerpräsident Wüst sprach von einem „vertretbaren Kompromiss“. NRW soll ein Fünftel der Flüchtlinge aufnehmen.

Flüchtlinge aus der Ukraine stehen in Berlin an für die Registrierung.

Flüchtlinge aus der Ukraine stehen in Berlin an für die Registrierung.

Foto: dpa/Paul Zinken

Bund und Länder haben am Donnerstag über den Umgang mit Flüchtlingen aus der Ukraine beraten. Sie verständigten sich darauf, dass die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ab Juni staatliche Grundsicherung (Hartz IV) erhalten sollen. Diese Leistung trägt der Bund. Die Ukraine-Flüchtlinge werden damit anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt, „das ist auch folgerichtig“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, zahlt der Bund zwei Milliarden Euro an die Länder, wovon 500 Millionen Euro an die Kommunen gehen sollen. „Wir wollen die Zeit bis Juni gemeinsam schultern“, so Scholz.

Für die Kriegsflüchtlinge hat der Erhalt von Hartz IV Vorteile: Sie erhalten höhere Leistungen als Asylbewerber. Außerdem bekommen sie früher Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt und haben mit den Jobcentern eine zentrale Anlaufstelle für ihre Belange. Für die Kommunen bedeutet diese Lösung eine finanzielle Entlastung. Ein Problem dabei: Flüchtlinge mit Hartz IV können ihren Aufenthaltsort frei wählen. Es werden Ballungen in Großstädten befürchtet. Hier könne es aber künftig Wohn-Auflagen geben, kündigte Scholz an.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach nach dem Treffen von einem „vertretbaren Kompromiss“. Manche Länder hätten sich mehr Hilfe vom Bund gewünscht, aber das liege ja in der Natur der Sache. Die Hilfe für die Flüchtlinge sei eine „nationale Aufgabe", deshalb müssten Bund, Länder und Kommunen zusammenarbeiten.

Bund und Länder verständigten sich zudem darauf, dass die Flüchtlinge nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Länder verteilt werden. Das bedeutet: Nordrhein-Westfalen soll ein Fünftel der Flüchtlinge aufnehmen. „Der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Länder halten eine zügige und gerechte Verteilung der angekommenen Geflüchteten in Deutschland für notwendig. Das gilt auch für die Verteilung von den Städten in ländliche Regionen“, hieß es im Beschlussvorschlag. Bislang zieht es die Flüchtlinge vor allem in Großstädte wie Berlin. Drehkreuze sind auch Hannover und Cottbus.

Viele der Flüchtlinge haben keinen guten Corona-Impfschutz. „Die Ständige Impfkommission empfiehlt für diejenigen, die eine Impfung mit einem nicht in der EU zugelassenen Impfstoff wie Sputnik V, Corona Vac, Covilo und Covaxin erhalten haben, eine zusätzliche einmalige Impfung mit einem in der EU zugelassenen mRNA-Impfstoff“, heißt es in dem Papier weiter. Die Länder verpflichten sich, den Flüchtlingen zeitnah Impfangebote zu machen.

In dem Zusammenhang haben Bund und Länder auch beschlossen, die Impfzentren weiter zu betreiben. „Um die für die allgemeine Impfkampagne in Deutschland, aber auch für die Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine wichtige Infrastruktur aufrechtzuerhalten, wird der Bund die Impfzentren und mobilen Impfteams auch über den 31. Mai 2022 hinaus bis zum Jahresende 2022 mit einem Anteil von 50 Prozent finanziell unterstützen“, heißt es. Hierfür habe der Bund in diesem Jahr bisher bereits monatlich knapp 100 Millionen Euro erstattet.

Es wird erwartet, dass weitere Auffrischungsimpfungen für Millionen Bürger notwendig sind. Spätestens im Mai soll es den an Omikron-angepassten Impfstoff geben. Im Herbst könnte es nach Einschätzung von Experten eine neue Virusvariante geben. Im Herbst 2021 hatten Bund und Länder schon einmal den Fehler gemacht, die Impfzentren voreilig zu schließen. In der Weihnachtszeit wurden sie dann hektisch wieder eröffnet.

Auch zum Alltag der Geflüchteten trafen Bund und Länder eine Vereinbarung. So können die Geflüchteten aus der Ukraine unmittelbar eine Arbeit in Deutschland aufnehmen. Eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist – anders als sonst – nicht notwendig. Bei nicht-reglementierten Berufen soll eine Selbsteinschätzung der Geflüchteten reichen. Bei reglementierten Berufen wie Ärzten, Lehrern oder bestimmten Handwerkstätigkeiten wollen sich Bund und Länder um eine schnelle und einheitliche Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen bemühen. Der Kanzler und die Länder-Chefs begrüßen es, dass ukrainische Kinder und Jugendliche schnell in Kitas, Schulen und Hochschulen aufgenommen werden sollen.

Mit Blick auf die Folgen des Krieges für die Bevölkerung in Deutschland stellen Bund und Länder weitere Entlastungen für private Haushalte und Betriebe bei steigenden Energiekosten in Aussicht. Energie müsse bezahlbar sein, gegebenenfalls seien weitere Maßnahmen notwendig, heißt es in dem Papier. Wüst betonte, es müsse mehr für Pendler getan werden. „Das Leben auf dem Land muss attraktiv bleiben.“

Zugleich kritisierte der CDU-Politiker das Hin und Her von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in der Corona-Politik: Dies sei nicht das erste Mal gewesen. „Ein klarer Kurs in der Pandemiepolitik ist wichtig.“ Die Impfpflicht sei gescheitert, das hätten sich die Länder-Chefs anders gewünscht, sagte Wüst. Man respektiere aber die Entscheidung des Bundestags und hoffe auf mehr Impfungen. „Jetzt müssen wir uns auf den Herbst vorbereiten“, so Wüst.

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