Nordrhein-Westfalen Kommunalwahl beschäftigt Justiz

Düsseldorf · Die Politik hält trotz der Corona-Pandemie an der Kommunalwahl am 13. September fest. Dagegen laufen kleine Parteien und unabhängige Kandidaten Sturm. Sie haben den Verfassungsgerichtshof in Münster angerufen.

 Am 13. September soll in Nordrhein-Westfalen gewählt werden.

Am 13. September soll in Nordrhein-Westfalen gewählt werden.

Foto: dpa/Ina Fassbender

Kurz bevor der Landtag den Weg für die Kommunalwahl am 13. September ebnet, steigt die Zahl der Klagen am Verfassungsgerichtshof in Münster. Vor allem kleinere Parteien, Wählergemeinschaften und unabhängige Kandidaten sehen ihre Rechte durch die Durchführung der Wahl inmitten der Corona-Pandemie beeinträchtigt. So gibt es nach Angaben des Rechtsausschusses drei verfassungsrechtliche Verfahren gegen den Landtag und eines gegen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Mit letzterem will die Familien-Partei Deutschlands den Minister per einstwilliger Anordnung dazu zu zwingen, die Wahl zu verschieben.

„Wer eine laufende Wahlperiode verlängern will, befindet sich in einem äußerst schwierigen Bereich“, sagt Sophie Schönberger, Professorin für öffentliches Recht an der Universität Düsseldorf. „Ich halte es deshalb für richtig, für die Kandidatenaufstellung mehr Zeit zu geben, aber am Wahltermin festzuhalten.“ Auf genau dieses Verfahren haben sich CDU, FDP und SPD in einem gemeinsamen Gesetzentwurf geeinigt, der am heutigen Freitagabend im Eilverfahren vom Landtag verabschiedet werden soll. Demnach wird die Frist für die Aufstellung der Kandidaten um elf Tage, bis zum 27. Juli, verlängert. Hintergrund ist, dass zwar Aufstellungsversammlungen erlaubt sind, sich aufgrund der Pandemie aber deutlich schwieriger gestalten. So fällt es den Parteien unter anderem schwer, geeignet große Räume zu finden, um die Abstandsregeln einzuhalten.

Bei den übrigen Klagen geht es um die Frage, wie viele Unterstützer-Unterschriften die nicht in den Kreistagen, im Landtag oder Bundestag vertretenen Parteien sammeln müssen, um bei der Kommunalwahl antreten zu dürfen. Der Entwurf sieht vor, dass nur noch 60 Prozent der zuvor nötigen Unterschriften nötig sind. Hier sieht Rechtsexpertin Schönberger die größte Hürde. „Man hätte überlegen können, ob man die Quoren weiter absenkt oder in dieser Ausnahmesituation in Gänze auf sie verzichtet.“ Trotz aller Lockerungen bestünden Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Unterschriften. „An diesem Punkt könnten sich die Richter stoßen“, sagt die Juristin, „doch dass sie deshalb das Gesetz kippen, halte ich für eher unwahrscheinlich.“

Eine Einschätzung, die der Städte- und Gemeindebund NRW teilt: „Es bleibt selbstverständlich Sache der Justiz, zu entscheiden. Aber aus unserer Sicht hat der Gesetzgeber das Mögliche getan, um unter den extremen Rahmenbedingungen einer Pandemie Chancengleichheit bei der Kommunalwahl zu gewährleisten“, sagte ein Sprecher. Sollten die Gerichte doch anders entscheiden, wäre das ein Novum: „In einzelnen Gemeinden kommt es durchaus vor, dass Gerichte eine Wiederholung der Wahl anordnen. Für ein ganzes Bundesland gibt es keine Präzedenzfälle“, sagt Schönberger.

Ungewöhnlich an dem nun auf den Weg gebrachten Gesetz zur Kommunalwahl: Ursprünglich wollten alle Parteien mit Ausnahme der AfD den Gesetzentwurf gemeinsam einbringen. Doch die Grünen fehlen. „Statt grüner fraktionsinterner Petitessen hätten wir uns ein klares Signal aller demokratischen Fraktionen im Landtag gewünscht“, kritisiert der CDU-Fraktionsvorsitzende Bodo Löttgen. Grünen-Fraktionsvize Mehrdad Mostofizadeh sagte zwar, grundsätzlich gehe der Vorschlag von CDU, SPD und FDP in die richtige Richtung und man werde deshalb auch für das Gesetz stimmen. „Wir hätten allerdings sowohl im Gesetz wie auch untergesetzlich gern weitere Verbesserungen aufgenommen.“ Konkret nennt er Erleichterungen für eine Sofortwahl in den Bürgerämtern und bei der Briefwahl sowie finanzielle Unterstützung der Kommunen, damit diese den Parteien kostenfrei öffentliche Räumlichkeiten für die Durchführung von Aufstellungsversammlungen unter Corona-Bedingungen zur Verfügung stellen können.

Ein Raumproblem sehen die Kommunen auch an anderer Stelle: Sollte sich die Pandemie im Herbst nicht erledigt haben, werde die Anzahl verfügbarer Wahlräume erheblich abnehmen, heißt es in einem Schreiben des Städte- und Gemeindebunds NRW an seine Mitglieder. Insbesondere Altenheime und Kindergärten dürften dann nicht mehr zur Verfügung stehen, „so dass in manchen Kommunen bis zu 30 Prozent der bisherigen Wahlräume fehlen würden.“ Allerdings wäre auch das Gegenteil ein Problem: Dann könnte die Vielzahl nachzuholender Veranstaltungen Räumlichkeiten blockieren.

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