Bundesärztekammer zweifelt SPD unterstützt Spahns Pläne zur Reform der Notfallversorgung

Essen/Berlin · Wer einen Notarzt braucht, wählt in Deutschland die 112. Wer dagegen einen Bereitschaftsarzt sprechen will, wählt die 116117. Gesundheitsminister Spahn will nun diese Versorgung von Notfällen grundlegend reformieren - und bekommt Unterstützung aus der SPD.

 Sanitäter in einer Notaufnahme in Mainz (Archivfoto).

Sanitäter in einer Notaufnahme in Mainz (Archivfoto).

Foto: dpa/Andreas Arnold

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Versorgung von medizinischen Notfällen reformieren. Der Arbeitsentwurf mit den Gesetzesänderungen sei an die Länder zur Diskussion verschickt worden, teilte das Bundesgesundheitsministerium dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit und bestätigte damit einen Bericht der Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe (Montag).

Die Telefonnummer 112 für den Rettungsdienst und die Nummer 116117 für die Terminservicestellen der niedergelassenen Ärzte sollen demnach faktisch zusammengeschaltet werden. In der Notfallleitstelle sollen die Mitarbeiter dem Bericht zufolge in einem „Ersteinschätzungsverfahren“ ermitteln, ob dem Anrufer im Krankenhaus oder bei einem ambulanten Arzt am besten geholfen werden kann.

„Derzeit sind die Notaufnahmen der Krankenhäuser zu häufig überlaufen, weil unter den Patienten auch solche sind, denen andernorts besser geholfen werden könnte“, sagte Spahn den Funke-Zeitungen. Dadurch seien die Wartezeiten für Patienten oft zu lang, die dringend auf die Hilfe in der Notfallambulanz angewiesen seien.

Außerdem sollen dem Bericht zufolge an Krankenhäusern spezielle Notfallzentren eingerichtet werden, in denen Patienten je nach Schwere ihrer Erkrankung entweder in eine stationäre oder eine ambulante Behandlung geschickt werden sollen. Die Notfallzentren sollen „jederzeit zugänglich“ und „räumlich derart in ein Krankenhaus eingebunden“ sein, dass sie von den Patienten „als erste Anlaufstelle im Notfall wahrgenommen werden“, wie es hieß. Als Betreiber der „Integrierten Notfallzentren“ werden die Kliniken und die Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam genannt.

Der Minister sagte weiter, die Reform setze „an der Wurzel“ an und erfordere deshalb möglicherweise sogar eine Änderung des Grundgesetzes, worüber er mit den Bundesländern reden wolle.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach unterstützt die Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Reform der Notfallversorgung. Lauterbach zufolge sterben in Deutschland mehr Menschen als in anderen Industrienationen durch eine falsche Krankenhauszuweisung. „Die Notfallversorgung in Deutschland muss besser organisiert werden“, sagte Lauterbach unserer Redaktion. Patienten mit leichten Erkrankungen blockierten zu oft die Notaufnahmen, selbst während der Öffnungszeiten von Haus- und Fachärzten.

„Außerdem sterben in Deutschland mehr Menschen als in manchen anderen Industrienationen an den akuten Folgen von Schlaganfällen, Herzinfarkten oder schweren Unfällen“, sagte der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass Patienten in die falschen Krankenhäuser gebracht würden. „Zwischen Jens Spahn und mir besteht Einvernehmen, dass es eine Neuregelung braucht“, sagte Lauterbach. Er sei sicher, dass die Länder mitziehen werden. „Auch sie sehen den dringenden Handlungsbedarf“, so der SPD-Politiker.

Die Bundesärztekammer bezweifelt dagegen, dass für die von Spahn geplante Reform genügend Geld und Ärzte vorhanden sind. „Nach unserer Einschätzung reichen die Kapazitäten und Finanzmittel nicht für ein Notfallzentrum in jedem Krankenhaus aus“, teilte der Spitzenverband der Ärzte unserer Redaktion auf Anfrage mit. Schon jetzt könne nur ein Teil der Kliniken die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschuss erfüllen, der innerhalb des vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmens festlegt, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der gesetzlichen Krankenversicherung im Einzelnen übernommen werden. „Mit weiteren, neue Bedingungen und Voraussetzungen ist zu rechnen“, hieß es. Zudem seien für die derzeit etablierten Portalpraxen und Notfallambulanzen teilweise schon nicht genügend Ärztinnen und Ärzte zu finden.

Seit einigen Jahren schon stellen Krankenhäuser fest, dass sich Patienten immer häufiger auch mit leichten Erkrankungen direkt an die Notaufnahmen wenden. Im Frühjahr dieses Jahres hatte dies eine Umfrage der Krankenkasse KKH bestätigt. Als Grund gaben die Befragten an, dass sie sich im Krankenhaus besser versorgt fühlten und dort vor allem ohne Termin Hilfe bekämen.

(jd/kd/hebu/epd/kna)
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